Pressestimmen:Revolution im Café

Der spätere Münchner Oberbürgermeister Christian Ude war 1968 Volontär der Süddeutschen Zeitung. Am 16. März beschrieb er die Szene im "Trikont-Café": "Für Münchens Rebellen ist Platz im kleinsten Café. Es befindet sich in nächster Nähe der Universität und besticht durch seinen Reiz revolutionärer Behaglichkeit: Am oberen Teil der Wände kleben überlebensgroße Photos von Mao, Marx und Ho Tschi Minh, darunter sind Flugblätter der Berliner Kommune, erquicklich zu lesen, und Zeitungsberichte über SDS-Aktionen angeheftet. (...) Während des Semesters brodelt hier die revolutionäre Unruhe. Ein Gewimmel von Wuschelköpfen, Ballonmützen und Kappen im Militarylook ... Hier planen sie, auf welches Zeichen hin man bei der Rektoratsfeier Seifenblasen und Konfetti von der Empore herablassen sollte. Hier wurde ausgebrütet, wo man sechs Uniformen der Münchner Stadtpolizei herbekommen könnte, um während der Vorlesungen zu demonstrieren, wie es enden wird, wenn Polizei ungeschoren Universitätsgelände betreten darf. (...) Minutenlang erzählen die Genossen von polizeilichen Verfahren, die sie, gleichsam als Schmuck, am Halse hängen haben. ,Du hast wohl noch nie Ärger mit den Bullen gehabt?', fährt mich ein Bärtiger an. Beflissen suche ich nach Rechtfertigung: ,Doch, doch, mich haben sie einmal erwischt ohne Glocke am Fahrrad'. Die Umstehenden rümpfen die Nase ..."

© SZ vom 04.04.2018 /  SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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