Porträt:Leih-Oma für Krippenkinder

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Margarete Grabler hat jahrelang Pflegekinder betreut, jetzt hat sie mit 72 Jahren eine neue Aufgabe.

Friedlind Lipsky

Kirchheim "Oma Marga!" Kleine Ärmchen strecken sich Margarete Grabler entgegen. Liebevoll nimmt sie das Kind auf ihren Schoß und wiegt es hin und her. Schnell folgen andere, bis die 72-jährige zwei Kinder auf dem linken und zwei auf dem rechten Bein sitzen hat. Da macht "Hoppe Reiter" erst so richtig Spaß. Dann schaut die Oma mit den Kleinen Bilderbücher an, lässt sie mit Puppen und Bauklötzen spielen oder singt mit ihnen.

Jeden Donnerstagvormittag haben die Kinder der Krippe "Regenbogen" eine echte Oma zum Spielen und Kuscheln. Auf den winzigen Stühlchen zu sitzen, daran hat sich Margarete Grabler schon gewöhnt. Wenn es sich ergibt, sitzt sie auch mit den Kindern am Boden. "Kinder sind mein Leben", erklärt die rüstige Seniorin, warum sie sich auf einen Aufruf der Krippe im vergangenen Jahr als Leih-Oma gemeldet hat.

Sie selbst hat allerdings keine erfreuliche Kindheit verbracht: Ein zerrüttetes Elternhaus, Armut, Krieg - da überwiegen negative Erinnerungen. "Ich erlebe meine problematische Kindheit durch die Beschäftigung mit Kindern immer wieder neu und gestalte sie dadurch positiv", sagt Grabler. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen hat sie besonderes Einfühlungsvermögen für die Sorgen und Nöte von Kindern entwickelt. "Kinder sprechen mit den Augen, da kann ich sofort ablesen, wenn etwas nicht stimmt."

Zunächst waren es ihre beiden eigenen Kinder, auf die sie ihr Leben ausgerichtet hat. "Es sollte ihnen niemals so gehen, wie es mir ergangen ist." Das Geld war knapp, doch sie gab ihren erlernten Beruf als Verkäuferin auf, um für ihre Kinder da zu sein. Einen Kindergartenplatz bekam sie in den 60er Jahren in München nur unter der Voraussetzung, dass sie in der Einrichtung mitarbeitete. "Da hab ich ganz viel gelernt, das hat mein Leben verändert." Als ihr erstes Enkelkind auf die Welt kam, betreute sie auch dies, damit die Mutter arbeiten konnte.

Um selbst noch etwas zu verdienen, entschloss sie sich, auch Pflegekinder aufzunehmen. Im Laufe der Jahre hat sie neben den fünf Enkelkindern noch 15 bis 20 Pflegekinder betreut. Es waren immer vier bis acht Kinder gleichzeitig im Haus. "Das war eine herrliche Zeit, als alle rund um den Tisch saßen, da habe ich mich daheim gefühlt", erinnert sie sich. Natürlich war es auch anstrengend, doch das habe sie nicht negativ empfunden. Teilweise haben sie und ihr Mann die Kinder sogar nachts und am Wochenende bei sich gehabt, haben Ausflüge und Urlaubsfahrten mit ihnen unternommen. Zu einigen ihrer Schützlinge hat Grabler heute noch Kontakt.

Als sie aus Altersgründen keine neuen Pflegekinder mehr aufnahm, wurde es sehr still im Haus. "Da haben wir Vögel angeschafft, damit sich was rührt." Doch das half auch nichts. Und dann kam der Aufruf der Krippe. "Das macht mir Spaß. Das ist wieder mein Leben." Oma Marga strahlt.

© SZ vom 30.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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