Popkultur in München:Große Töne

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Die Sportfreunde Stiller kennt man, nun entdecken große Plattenfirmen weitere Münchner Bands. (Foto: oh)

Münchner Bands haben es nicht leicht: Proberäume sind rar, Fördermittel notorisch knapp, die Stadt ist bekanntlich teuer. Zugleich genießen sie gerade ungewohnte Aufmerksamkeit - bei Plattenfirmen und Politikern. Wie ist es tatsächlich um die Popmusik an der Isar bestellt?

Von Rita Argauer und Michael Bremmer

Es geht schließlich um ihre Zukunft, um ihre Existenz. Birte Hanusrichter, Sängerin der Münchner Folk-Pop-Band Young Chinese Dogs, steigt nach dem Konzert in Lübeck in den Nachtzug, fährt nach München, um dort am nächsten Morgen als Schauspielerin vor der Kamera zu stehen. Nach dem Dreh geht es sofort zurück zur Tour nach Köln. Zwei Jobs, 50, 60 oder gar 70 Stunden Arbeit die Woche - Musikeralltag in München. Hier können die wenigsten Popmusiker von ihrer Kunst leben, weswegen Laury Reichart, Musiker der Band Mexican Elvis, München schon mal als "Hobbyband-Stadt" bezeichnete. Das hat viele Gründe.

Das größte Problem: München ist teuer. Man muss es sich leisten können, hier Musik zu machen. Die Mietpreise - auch für die wenigen Proberäume - sind hoch, Auftrittsmöglichkeiten gibt es (verglichen mit anderen Großstädten) selten, um Fördermittel streitet man sich mit vielen Künstlern anderer Sparten. Nicht zuletzt deswegen sind Bands wie Frittenbude von München nach Berlin gezogen.

Thomas Lechner von der "Fachstelle Pop" im Feierwerk fordert "viel mehr Geld für die popkulturellen Strömungen aller Facetten". Als er neulich zum Reeperbahnfestival in Hamburg fuhr, fanden dort in 80 Clubs Konzerte statt. "In München", sagt Lechner, "gibt es nicht mal ein Viertel davon". Hamburg fördert kleine Plattenfirmen, und die Stadt Mannheim geht sogar noch weiter: Hier gibt es eine groß angelegte Popkulturförderung, von der Popakademie bis zur Wirtschaftsberatung.

Die Politik wacht auf

Immerhin: Die Probleme mit den Proberäumen hat der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) zur Chefsache erklärt. Teilweise werden mehr als 400 Euro Miete im Monat für 20 Quadratmeter große Kammern verlangt. Das Kulturreferat soll dem Stadtrat Anfang 2015 erste Vorschläge machen, im Gespräch sind Container auf städtischen Grundstücken und Räume im Atelierhaus am Domagkpark.

Bei öffentlichen Neubauten wie Schulen sollen künftig Übungsräume eingeplant werden. Schon im Wahlkampf hatte Reiter in seinem 100-Tage-Programm erklärt, er wolle "die Popkultur als wichtigen Faktor des kulturellen, aber auch wirtschaftlichen Lebens der Stadt stärken". Auch Bürgermeister Josef Schmid (CSU) sieht in der Popkulturförderung "ein Kernanliegen der Stadt München". Ihm sei es wichtig, "dass in München nicht nur die Hochkultur gefördert" wird.

Entdeckung des Wirtschaftsfaktors Pop

Die Politik hat den Wirtschaftsfaktor Pop entdeckt, nicht nur in München. Die bayerische Staatsregierung hat die "Lage der Kultur- und Kreativwirtschaft im Freistaat Bayern" untersucht. Demnach lag der 2009 erwirtschaftete Umsatz der bayerischen Kultur- und Kreativwirtschaft bei knapp 30 Milliarden Euro. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sagt Schmid. Dennoch, getan wurde nicht viel: Lechner spricht von "schwierigen Rahmenbedingungen". Dennoch sei die Münchner Musikszene erstaunlich gut und innovativ - wovon man sich übrigens diesen Samstag beim Festival "Sound of Munich now" im Feierwerk überzeugen kann.

Sound of Munich now
:Popwunder von der Isar

München hat kein einheitliches Musik-Image, dafür aber ganz viel Eigenes. Beim Festival "Sound of Munich now" gibt es 21 Hörproben von Münchner Bands - und hier schon mal einen Vorgeschmack.

Das hat sich herumgesprochen. In der Berliner Tageszeitung Die Welt stand Anfang November: "München war lange ein blinder Fleck auf der Landkarte des Pop. Das ändert sich endlich." Bands wie die Sportfreunde Stiller, LaBrassBanda oder The Notwist kennt man schon länger, nun entdecken große Plattenfirmen weitere Münchner Bands: MarieMarie, Claire, Exclusive, Redweik, Jesper Munk, Cosby und andere.

Weit mehr als 500 Bands gibt es in München - wer nicht von der Musikindustrie unterstützt wird, braucht jedoch die Hilfe der Stadt. Doch wie und in welcher Höhe Popkultur gefördert wird, ist schwer zu überblicken. Es gibt unterschiedliche Töpfe in unterschiedlichen Referaten.

Nur ein Bruchteil der Förderung landet bei der Popmusik

Das Kulturreferat etwa gibt dieses Jahr 29,6 Millionen Euro für Kulturförderung, Zuschüsse und Veranstaltungen aus - das klingt nach viel Geld, aber bei der Popmusik landet nur ein Bruchteil. Es werden zudem jedes Jahr Stipendien und Preise vergeben, auch hier "unterscheiden wir nicht zwischen Hochkultur und Popkultur", sagt Jennifer Becker vom Kulturreferat. Es gibt aber auch keine feste Quote.

Stärkere Bedeutung hat die Unterstützung aus dem Jugendamt. "Es ist einzigartig in Deutschland", sagt Thomas Lechner, dass die Förderung von Jugend- und Popkultur zu den Aufgaben eines solchen Amtes gehören. Vor mehr als 40 Jahren wurde dies Teil der Sozialarbeit, ein pädagogischer Ansatz, damit Jugendliche weg von der Straße kommen. Daran hat sich nichts geändert, auch wenn junge Menschen heute andere Vorstellungen haben.

2012 bat das Stadtjugendamt junge Menschen um ihre Meinung zu einer "jugendfreundlichen und lebenswerten Stadt München". Das Ergebnis, stark verkürzt: Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 21 Jahren wünschen sich "Freiräume, die sie sich selbst aneignen, gestalten und verantworten können", gefordert werden Einrichtungen, "die subkulturelle Bewegungen fördern und Experimentierfelder erschließen, ohne dass die Jugendlichen im Rahmen eines pädagogischen Auftrags eng begleitet" werden.

Klaus Joelsen vom Jugendkulturwerk fragt: "Warum wird Jugendkultur den kommerziellen Veranstaltern überlassen? Hochkultur wird doch auch finanziert." Er wolle nicht die Popkultur gegen die Hochkultur ausspielen und niemandem Geld wegnehmen, betont er. Aber man könne Dinge hinterfragen und aus anderen Bereichen lernen. Die Hochkultur zieht mit einzelnen Veranstaltungen in Clubs wie das "Harry Klein" oder die "Milla", um das junge Publikum zu erreichen. Es geht schließlich um ihre Zukunft, um ihre Existenz.

© SZ vom 08.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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