Die bayerischen Behörden haben sich weit intensiver mit der Causa Gaddafi beschäftigt als bisher bekannt. Über das umstrittene Treffen zwischen Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer und dem Sohn des libyschen Diktators war das bayerische Innenministerium vorab informiert. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung unterrichtete das Büro von Schmidbauer vor dem Treffen im August 2007 die Polizeiabteilung im Innenministerium, das damals noch von Günther Beckstein (CSU) geleitet wurde. Von dort kam offenbar kein Widerspruch. Das Präsidium bestätigte, man habe das Ministerium "einige Zeit" vor dem Essen telefonisch unterrichtet.
Beckstein verteidigt auf SZ-Anfrage das Treffen im Bayerischen Hof, bei dem sich Schmidbauer von der libyschen Botschaft einladen ließ und zusammen mit seinem Büroleiter für 60 bis 70 Euro speiste. Der spätere Ministerpräsident sagte, er erinnere sich zwar nicht mehr, ob er persönlich informiert war. Sicher aber sei, dass die libysche Botschaft auch mit seinem Haus Kontakt aufgenommen und für den Gaddafi-Sohn vehement den Diplomatenstatus eingefordert habe. Saif al-Gaddafi lebte bis 2011 in München und kam mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt. Es liefen elf Ermittlungsverfahren gegen ihn, die alle eingestellt wurden. Inzwischen soll er bei einem Nato-Angriff auf Libyen gestorben sein.
Im Juli 2007 waren bulgarische Krankenschwestern nach jahrelanger Geiselhaft und Folter in Libyen freigekommen. Er, Beckstein, habe damals die Sorge gehabt, dass deutsche Staatsbürger oder deutsche Interessen zu leiden hätten, wenn das Gaddafi-Regime sich unrechtmäßig behandelt fühle. Beckstein: "Es war klar, dass man vorsichtig sein muss." Man habe sich "keine Brüskierung" Libyens erlauben dürfen. Er habe aber immer Wert darauf gelegt, dass strikt nach rechtsstaatlichen Kriterien vorgegangen werde, auch bei Gaddafi. "Ein Gespräch war in jedem Fall richtig", so Beckstein über den Schmidbauer-Kontakt, und auch die Verabredung im Bayerischen Hof sei in Ordnung. "Ich will keine Vorwürfe machen."
Laut einem Sprecher besuchten zwei libysche Vertreter das Ministerium wegen Gaddafi junior: Im Mai 2007 traf sich der Botschafter aus Berlin mit Minister Beckstein, im Januar 2008 traf sich der Botschafter aus Rom mit dem Landespolizeipräsidenten - jeweils in deren Büros, wie betont wird, und auf Wunsch der Libyer. Der heutige Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kommentiert das Abendessen Schmidbauers noch immer nicht. Nur indirekt verteidigt er ihn: "Es ist absurd anzunehmen, dass sich ein Polizeipräsident davon beeinflussen ließe." "Naturgemäß" sei es "eine heikle Angelegenheit", wenn Kinder ausländischer Staatsoberhäupter auffällig würden: "Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt." Schmidbauer selbst hält sein Vorgehen für angemessen und richtig: "Ich würde es wieder so machen."
In der Kritik stehen die Behörden auch, weil Oberstaatsanwalt August Stern die libysche Botschaft laut Justizministerium vorab über die geplante Durchsuchung von Gaddafis Münchner Anwesen unterrichtete. Stern war stellvertretender Chef der Staatsanwaltschaft München I und erklärte auf Nachfrage, dass er endgültig klären habe wollen, ob der Gaddafi-Sohn und sein Anwesen diplomatische Immunität genießen, was nicht der Fall war. Die Konstellation sei "besonders brenzlig" gewesen, sicher aber habe er in der Botschaft keinen genauen Durchsuchungstermin verraten. Inzwischen hat die Initiative Bayerischer Strafverteidiger Strafanzeige gegen Stern gestellt. Die Anwälte werfen ihm Strafvereitelung im Amt vor. Weder Stern noch das Justizministerium wollten sich dazu äußern. (Kommentar)