Polittheater:Die traurige Tonfolge a-f-d

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Das Singspiel "Hotel Giesing - Das Viertel bleibt dreckig" wird uraufgeführt

Von Christiane Lutz, München

Der d-Moll-Akkord ist ein abgründiger Akkord, findet Cornel Franz "Es ist der Akkord eines Requiems von Mozart und der Grundakkord von Beethovens 9. Sinfonie", sagt er, "das passt zur AfD". Huch, da wäre man jetzt nicht drauf gekommen, aber klar, er besteht aus der Tonfolge a-f-d. Der Regisseur Cornel Franz nahm den unglückseligen Akkord also als Ausgang für ein ganzes Singspiel über die AfD, ein "dunkeldeutsches Singspiel" namens "Hotel Giesing", das nun im Utopia uraufgeführt wird. "Meine Idee kam aus der Wut, dass wir wieder mal schweigend zuschauen, wie die Rechten einen Kulturkampf anfangen, die Hoheit über die Kultur an sich reißen wollen", sagt Franz. Sprich: "Die AfD will gern bestimmen, was ist wert, gespielt zu werden. Nur Goethe und Wagner?" Jahre schon regt sich der 74-Jährige darüber auf, davon wurde die Lage aber natürlich auch nicht besser. "Lass was machen", sagte er also vergangenen Herbst zu seinem Freund, dem Komponisten Markus Lehmann-Horn, und sie schrieben und entwickelten gemeinsam "Hotel Giesing - Das Viertel bleibt dreckig".

Die Idee des Singspiels ist recht einfach: In losen Szenen und Musikstücken wird das Treiben in einer Hotellobby erzählt. Verschiedenste Gäste kommen und gehen und tragen ihre bunten Gesinnungen herein, die von "man wird das ja wohl noch sagen dürfen" über Gedanken des "Deutsche Männergesangsvereins" und Unterhaltungen von Mitgliedern des Verein "Juden in der AfD" reichen. Franz lässt seine Sänger und Schauspieler dabei echte Zitate von AfDlern sprechen. "Die heißen bei der AfD ja alle Sprecher", sagt er, "wie kann eine Partei, die so wenig zu sagen hat, so viele Sprecher haben?"

Franz ist lange schon im Theatergeschäft, er kuratierte unter Sir Peter Jonas an der Bayerischen Staatsoper schon vor 20 Jahren die Reihe "Festspiel +" und unterrichtete viele Jahre Regie an der Bayerischen Theaterakademie. Inzwischen macht er nur noch Projekte, auf die er richtig Lust hat, Singspiele zum Beispiel. "Singspiele, kein Musical", betont er nebenbei.

Ob er keine Angst hat, dass die AfD "Hotel Giesing" alles andere als witzig findet? "Für Angst bin ich zu alt", sagt er. Außerdem sei ihm bei der Recherche ohnehin aufgefallen, dass die Rechten überhaupt keinen Humor hätte. Deshalb ist es ihm umso wichtiger, dass "Hotel Giesing" humorvoll ist und Spaß macht.

Für die Produktion, an der er, wie er sagt "nix verdient", organisierte er ein paar Musiker des Orchesters der Bayerischen Staatsoper: fünf Bläser, und ein paar Sänger, den Countertenor Yosemeh Adjei zum Beispiel, die Sopranistin Sibylla Duffe und Mezzosopranistin Maria Helgath, die Schauspieler Bettina Ulrich und Jürgen Tonkel. Ein paar Überraschungsgäste werden auch in der Lobby auftauchen, aber wer das ist, verrät Franz noch nicht.

Das Hotel Giesing gibt es übrigens wirklich in München, dessen Team sei aber einverstanden, dass man den Namen für das Stück verwende. "Giesing ist für uns eher ein Synonym für ein Stadtviertel, das für die Gleichzeitigkeit des bunten Zusammenlebens steht. Man kann da alles machen, aber das Viertel bleibt dreckig."

Cornel Franz will die Deutungshoheit über die Relevanz von Kunst auf keinen Fall der AfD überlassen. Genauso wenig aber soll sich die linke Kunstblase zu sicher sein, recht zu haben. "Die Kunst ist frei", sagt er, "in dem Moment, wo sie sauber daherkommt, glaubt sie, Antworten zu gerieren, das ist nicht ihre Aufgabe. Sie muss Fragen stellen. Antworten sind doch langweilig."

Hotel Giesing , Premiere am Mittwoch, 30. September, Utopia

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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