Pferderennen:Gegen den Abwärtstrend

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Schlapphut-Lacher: Sieger-Jockey Filip Minarik, der auf Iquitos den Pastorius-Preis gewann. (Foto: Balogh/turfstock.com)

Mehr Zuschauer, mehr Einnahmen: Die Galopprennbahn in Riem erholt sich. Die Wettumsätze an der Bahn sind gestiegen.

Von Raphael Weiss, München

Als Dschingis Secret, der Favorit im Pastorius-Rennen, dem Großen Preis von Bayern, an Kevin Woodburn im Führring vorbeistolzierte, grinste der Jockey kurz. "Ist das mein Pferd?", fragte der 60-Jährige, der dieses Jahr sein Comeback als Aktiver gab. Wild Chief, der wenige Meter dahinter lief, war klarer Außenseiter, und auch Woodburn schien zu ahnen, dass es mit seinem Pferd schwierig werden würde, an diesem Mittwoch etwas zu reißen.

Die Stimmung unter den Jockeys vor dem Rennen war entspannt. Trotz der 150 000 Euro Preisgeld, trotz der spannenden Ausgangslage: ein hochklassig besetztes Feld, das letzte Rennen des Jahres, außerdem konnten zwei der neun Pferde die German Racing Champions League gewinnen: Guignol und Iquitos. Während die Pferde im Führring dem Publikum präsentiert wurden, scherzten die Jockeys miteinander, quatschten mit der Rennbahn-Prominenz. Und Pierre Charles Boudot wurde von dem Rest der Gruppe ausgelacht, weil er zu lange brauchte, um zum abschließenden Fototermin zu kommen.

4500 Zuschauer waren am letzten Renntag des Jahres an die Riemer Galopprennbahn gekommen, 12 000 weniger als beim Großen Dallmayr-Cup. Horst Lappe, Geschäftsführer des Münchener Rennvereins, war trotzdem zufrieden: "Halb München war ja verreist wegen der Feiertage, dafür war die Besucherzahl gut", fand er.

"Vor allem junge Menschen entdecken gerade wieder, was für ein schöner Zeitvertreib das ist."

Auch generell ist der Rennverein aus Riem recht zufrieden, obwohl die Rennbahnen in Deutschland derzeit große Probleme haben. Das Internet hat die Branche schon vor Jahren in eine Krise gestürzt. Seitdem man die Rennen von zu Hause aus verfolgen und auf sie wetten kann, kommen deutlich weniger Zuschauer an die Rennbahnen, und so fehlen wichtige Einnahmen. Auch Riem spürt diesen Rückgang, doch das Jahr 2017 zeigt eine Entwicklung gegen den allgemeinen Trend: Es kamen mehr Zuschauer als in den vergangenen Jahren, und auch der Wettumsatz hat sich um knapp acht Prozent erhöht. Besonders erfreulich aus Riemer Sicht: An der Bahn selbst gaben die Zuschauer über zehn Prozent mehr für Wetten aus als im vergangenen Jahr. 700 000 Euro und damit fast 60 Prozent der gesamten Wetten wurden hier und nicht online abgegeben. An anderen Standorten liegt der Wert bei der Hälfte. Lappe erklärt sich die Erfolgsgeschichte so: "Bei uns ist das eine Familiengeschichte. Vor allem junge Menschen entdecken gerade wieder, was für ein schöner Zeitvertreib das ist. Es macht einfach Spaß, mit den Kindern hier rauszukommen und den ganzen Tag auf der Anlage zu verbringen."

Profitabel ist die Rennbahn noch nicht, dennoch spricht Lappe von einem ordentlichen Jahr und schaut optimistisch in die Zukunft: "Ich bin mir sicher, dass der Trend auch in den kommenden Jahren anhält." Der Plan sei es, 2018 das Ergebnis weiter zu verbessern und 2019 auf die schwarze Null zu kommen. Doch bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Im kommenden Jahr sollen die heruntergekommenen Mitarbeiter-Wohnungen, die für die Olympischen Spiele 1972 gebaut wurden, ersetzt werden. "Es ist eine erbärmliche Situation für unsere Trainer und Betreuer", erklärt Lappe. Schon im Herbst sollen 31 neue Wohnungen auf dem Gelände fertig sein, doch die Baugenehmigung von der Stadt steht noch aus. Im Frühjahr zeigt sich, ob gebaut werden darf oder nicht. Wenn am 8. Mai die neue Saison beginnt, wird die Entscheidung bereits gefallen sein.

Kevin Woodburn sollte beim Pastorius-Rennen mit seiner Vorahnung übrigens Recht behalten. Ihn und Wild Chief trennten 20 Längen vom Vorletzten. Titelverteidiger Guignol und Jockey Filip Minarik kamen knapp vor Iquitos ins Ziel und gewannen nicht nur die 100 000 Euro Siegprämie, sondern auch die Gesamtwertung der Champions League. Guignols Trainer Jean-Pierre Carvalho, ein eleganter Mann Mitte vierzig, der früher zu den besten Jockeys in Deutschland gehörte, spazierte nach dem Rennen lächelnd auf das siegreiche Duo zu, zog kurz seinen schwarzen Hut und überreichte ihn dann an Minarik. Carvalho gewann zum vierten Mal in Serie beim prestigeträchtigen Saisonabschluss in Riem. "Es ist eine ganz besondere Sache für mich. Es war immer meine Lieblingsbahn, erst als Jockey und jetzt als Trainer", sagte der Franzose, der einst seine Deutschland-Karriere als Stalljockey in Riem begann. "Es macht mir wahnsinnigen Spaß hier."

Während er das sagte, lief Woodburn in einem orange-schillernden Dress mit blauen Schmetterlingen an ihm vorbei und gratulierte dem Siegertrainer mit einem kurzen Schlag auf die Schulter. Für einen Sieg des 60-Jährigen hätte es heute wohl auch nicht gereicht, wenn er sein Pferd durch Dschingis Secret ersetzt hätte. Der Favorit landete auf Platz drei.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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