Pete Doherty in München:Leergut pflastert seinen Weg

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Splitternackt auf dem gestohlenen Fahrrad: Pete Doherty hat in München schon Verrücktes erlebt. Am Sonntag kommt er ins Backstage.

Michael Zirnstein

Pete Dohertys Besuche in München haben etwas Flüchtiges: Wie ein Geist taucht er auf und ab, wo und wann es ihm passt; falls er Spuren hinterlässt, werden sie abgefräst und überlackiert wie die Telefonnummer, die er mit waschbenzinfestem Stift auf einen Tisch im Hotel Concord geschmiert hatte.

Überraschung im Atomic Café: Pete Doherty ist da. (Foto: Foto: Max Sterz / muenchenblogger.de)

Das war 2006. Konzert-Krösus Marek Lieberberg rief bei Christian Heine, dem Wirt des Atomic Cafés, an. Pete habe vor dem großen Auftritt bei "Rock am Ring" in Nürnberg einen Tag frei, und er würde gern in eben diesem ihm liebgewordenen Münchner Club spielen, ob das ginge. Klar, ginge das, nur rechnete keiner wirklich mit Dohertys Erscheinen, der zu dem Zeitpunkt wegen des Hin und Hers mit seiner Model-Freundin Kate Moss und seiner häufigen Besuche von Entzugskliniken und Knästen auf dem vorläufigen Gipfel seiner Unberechenbarkeit angelangt war.

Daher glaubte die per SMS-Lawine alarmierte hiesige Brit-Pop-Szene an einen Scherz und der Laden war halbleer, als Pete mit nur 20 Minuten Verspätung das Atomic Café betrat. Wer da war, schwärmt heute noch von dem schwitzigen Konzert, das Doherty nur unterbrach, als er auf der Bühne drei Minuten via Handy telefonierte.

Mit wem, ist unbekannt, genau wie die wasserfeste Nummer im Hotel. Bevor Fans und Atomic-Chef den Tisch kaufen und die Kritzelei für die Nachwelt retten konnten, ließ der Hotelier ihn abschleifen und streichen.

Einer der wenigen weißen Flecken in dem am besten dokumentierten Musikerleben dieser Tage. Fragen wirft auch eine Geschichte aus jener Zeit auf, als Doherty noch für seine Musik, nicht für seine Eskapaden bekannt war. Aus Augenzeugenberichten und einem Tour-Tagebuch lässt sich die Samstagnacht des 1. März 2003 folgendermaßen rekonstruieren: Nach dem ersten München-Gastspiel mit den Libertines, seiner ersten, dem Brit-rock neue Hoffnung gebenden Band, verlässt der milchgesichtige Pete Doherty am Arm einer Brünetten das Atomic Café.

In einem Schwabinger Apartment sitzt der Gast aus London weitgehend ausgezogen auf dem Bett, als die schöne Münchnerin einen groben Fehler begeht: Sie legt eine Platte von Suede auf. Doherty tobt, will die Wohnung verlassen. Um dies zu verhindern, sperrt die Hausherrin seine Kleider ins Badezimmer ein.

Doherty stürmt auf die Straße, klaut ein Fahrrad und strampelt, immer noch nackt und tobend, zum Band-Bus vor dem Atomic Café zurück. Wieder bleiben Fragen offen: Wer war die schöne Münchnerin? Ist sie noch im Besitz der Bekleidung? Wie fand der Ortsfremde den Weg zurück in die Neuturmstraße? Was findet Doherty an Suede so schrecklich?

Darüber wurde bei den nächsten Besuchen des Sorgenkindes in München geschwiegen. Sie verliefen harmonisch, zumindest falls sie nicht abgesagt wurden. Die Konzerte mit seiner Nachfolge-Band, den Babyshambles, stiegen nun in größeren Hallen. Zuletzt vielleicht in zu großen, zumindest kam Pete Doherty vor einem Jahr lieber "erheblichen Verpflichtungen im Vorfeld der Veröffentlichung seines Debütsoloalbums" nach, als im - gerüchteweise mäßig besetzten - Zenith aufzutreten.

Doch wenn er kam, lief er nach dem Auftritt stets in seine Atomic Teestube (das schicke Baby's am Maximiliansplatz ödete ihn angeblich an). Immer saß er auf dem Sofa, plauderte ein, zwei Stunden lang mit den Gästen, rauchte backstage vielleicht noch auf dem Schoß eines stadtbekannten Britpop-DJs etwas und verflüchtigte sich alsbald.

Das Jahr 2009 war eines fast ohne Skandale. Nur eine Festnahme auf dem Flughafen in Genf, nachdem ihn Stewardessen zusammengeklappt auf einer Bordtoilette gefunden hatten und man ihn wieder einmal des Drogenmissbrauchs verdächtigt hatte. Ansonsten fiel er, der sich nun mit 30 Jahren erwachsen Peter, nicht mehr Pete nennt, nur musikalisch, also angenehm auf: mit seinem erstaunlich reifen, lyrischen, reflektierenden Solo-Album "Grace/Wastelands".

Vielleicht sollte man das ramponierte Genie, den ewig Verfolgten einfach in Ruhe lassen, sollte er sich nach dem Konzert am Sonntag im Backstage-Werk ( 20 Uhr, Wilhelm-Hale-Straße 38) erneut in sein Münchner Wohnzimmer zurückzieht. Es sei denn, man hat noch eine Rechnung bezüglich eines Radels offen.

© SZ vom 28.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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