Party-Pionier Mathias Scheffel:Stratege der Nacht

Lesezeit: 4 min

Angefangen mit öffentlichen Partys hat er in einem Tanzcafé für Senioren, dann machte er Optimol, Filmcasino, Cavos, Catering. Der Unternehmer Mathias Scheffel gilt in München als Urgestein und Party-Pionier.

Philipp Crone

Als er die vier Räder sieht, muss Mathias Scheffel lachen. Sie stehen auf dem Optimolgelände am Ostbahnhof, sind aus Eisen, verrostet und tonnenschwer. "Der Bundesgrenzschutz war neulich da und hat behauptet, die seien gestohlen." Dann hätten die Beamten versucht, die hüfthohen Waggonräder zu bewegen, aber keine Chance. "Immerhin haben sie dann einen Polizeiaufkleber draufgemacht."

Mathias Scheffel, Partys, München

Mathias Scheffel, Partys, München

(Foto: Stephan Rumpf)

Scheffel macht eine kurze Pause, in der er weiterkichern muss. Der Mann mit dem Scheitel im dünnen schwarzen Haar blinzelt unter seiner Brille. Mit dem fein gezogenen Bärtchen und den ein wenig hängenden Lidern sieht er tatsächlich aus wie eine Mischung aus Kevin Kuranyi und Rainer Brüderle. Er schaut sich einmal kurz um auf dem Hof des Geländes, dann sagt er: "Den Aufkleber hat's natürlich beim nächsten Regen weggewaschen." Scheffel wird schnell wieder ernst. Nur keine Schadenfreude zeigen!

Diese Anekdote könnte auch ein Bild für Mathias Scheffel sein: Er muss sich mit viel Kleinkram und manchmal auch mit Quatsch auseinandersetzen, versucht dabei aber immer gelassen zu bleiben. Vor allem bleibt er da. Auf dem Optimolgelände. Wie die Eisenräder. Auch wenn es alle paar Jahre heißt, jetzt sei nun wirklich Schluss. 1996 hieß es, 2001 sei es vorbei, dann lautete die Deadline 2003, später 2007, 2010 und nun 2014.

"Und auch danach wird es weitergehen", prophezeit Scheffel. Geändert hat sich wenig, statt Kunstpark Ost heißt es nun Kultfabrik und Optimolgelände. Darauf beherbergt Scheffel einen "alternativen Gewerbehof", etwa ein Fotolabor, einen Latin-Club, Künstlerateliers, die Theaterfabrik, die Drei Türme eröffnen am 13. Januar neu. Sein Reich hat der gebürtige Stuttgarter aus seinem Büro im ersten Stock des Hauptgebäudes im Blick. Es ist eines von vier Büros, die der Vater zweier Kinder in München nutzt.

Büros. Schreibtische. Es hat sich einiges geändert, seit Scheffel Mitte der achtziger Jahre zum Studium nach München kam. Da nannte man ihn als DJ "Psycho Billy", und er machte sich daran, die Grundlage dafür zu legen, dass ihn die Weggefährten heute mit großem Respekt als "Mentor, Urgestein und Stratege" bezeichnen, so wie Florian Faltenbacher, der Betreiber der Milchbar.

"Die Tanzdiebe"

Vor Psycho Billy ist Scheffel ein Jura-Student, der sich zusammen mit seinem vier Jahre jüngeren Bruder als DJ seine Miete verdient. Die beiden werden als "Die Tanzdiebe" Partyveranstalter. Florian Faltenbacher ist ihr Plakatierer. "1987, als wir angefangen haben, gab es in München nur zwei Möglichkeiten zum Feiern: In einem Club oder beim Privatfest." Scheffel bietet eine neue Variante: die öffentliche Party. An die erste kann er sich genau erinnern.

"Wir waren in einem Tanzcafé für Senioren", sagt Scheffel. Drei Mark kostete der Eintritt, "und der Ober, der da mit weißen Handschuhen serviert hat, ist nach einer Stunde entnervt gegangen." Die 500 Gäste wollten nicht elegant bedient werden, sondern feiern. "Die Partys haben funktioniert, weil ich als DJ in der Szene vernetzt war."

Es folgten auch viele illegale Feste, und wenn Scheffel von denen erzählt, dann lächelt der 47-Jährige. Je mehr "Sixpacks" in seinen Geschichten vorkommen, desto besser. Die Sixpacks sind Einsatzwagen der Polizei. Zu der Zeit traf sich die Szene der Nachtarbeiter im Baadercafé, man ging dann zu den Löwen, bejubelte ein 7:0 gegen Ampfing in der Bayernliga und feierte im Café Größenwahn. "Das waren die goldenen Zeiten." Als man mit tausend Flyern 700 Leute anlocken konnte. Bis 1992 geht das so.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema