Olympiahalle:Ortstermin der Erinnerungen mit den Scorpions

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Klaus Meine und Matthias Jabs vertragen sich auch nach einem halben Jahrhundert noch. (Foto: Dombrowski)

In der Olympiahalle tun die Scorpions alles, um die Mischung aus Nostalgie und Inszenierung nicht zur geriatrischen Veranstaltung werden zu lassen. Mit Erfolg. Nur das Publikum spielt nicht mit.

Von Ralf Dombrowski

Das Bühnenelement mit dem Schlagzeug wird Richtung Hallendecke gezogen. James Kottak lässt die Doppelfußmaschine rotieren, wummerndes Trommelfeuer erfüllt den Raum, Scheinwerfer blitzen unter der Konstruktion auf und lassen sie wie ein Ufo wirken. Das ist der Moment für die Botschaft. Kottak stellt sich in schwindelnder Höhe auf sein Instrument, entledigt sich seines T-Shirts und präsentiert das Großflächentattoo auf seinem Rücken: Rock & Roll forever! Anständiger Applaus für so viel Einsatz, aber kein Tosen.

Anständig ist überhaupt das Wort. Die Scorpions sind die dienstälteste deutsche Rockkappelle von internationalem Format. Seit zwei Jahren touren sie um die Welt, um das erste halbe Jahrhundert Bandgeschichte zu feiern. Chapeau, denn viel länger halten es eigentlich nur die Stones miteinander aus, und die kommunizieren, glaubt man den Gerüchten, jenseits der Bühne nur noch über Anwälte.

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Die Scorpions hingegen sind Volkshelden und das konsequent. Vor dem Konzert ein Besuch im MJ Guitars Shop in Lederornat. Die Gemeinde pflegen, für Handys und Fotografen posieren. Beim Konzert keine Knebelverträge für die Leute an den Kameras, was längst die Ausnahme geworden ist.

Konservativ und hymnisch

Und überhaupt der Kontakt zum Publikum. "Wir sind einen langen Weg gegangen, die Sechziger, Siebziger, bis heute", meint Sänger Klaus Meine. "Das hatte Höhen und Tiefen, aber wir sind noch hier". Den Mikrofonständer ins Publikum gehalten, anständiger Jubel. "Hallo München!" Die Olympiahalle ist voll, viele Menschen stehen an den Wellenbrechern, winken, machen Selfies. Es ist ein Ortstermin der Erinnerungen und die Scorpions tun alles, um diese Mischung aus Nostalgie und Inszenierung nicht zur geriatrischen Veranstaltung werden zu lassen.

Klaus Meine singt, wie es noch geht, nicht immer mit dem Volumen früherer Dekaden, aber voller Inbrunst. Rudolf Schenker rockt mit einem bunten Arsenal seiner 'Flying V's, sprintet den Laufsteg entlang, springt in Pose. Matthias Jabs hält mit seinen 'Explorers' dagegen, die beiden Gitarristen harmonieren auf eine schlafwandlerisch sichere Weise, wie man es nur dank jahrelanger Routine schafft. Die Musik selbst ist stilistisch konservativ und hymnisch, Rock & Roll eben, durchbrochen von kurzen Passagen mit akustischen Instrumenten und sich souverän steigernd bis zu "Rock You Like A Hurricane" in der Zugabe.

Perfekte Show, abgelengtes Publikum

Kurz: Die Show ist perfekt. Und doch gibt es nur anständigen Applaus, keinen brandenden Jubel, eher ein schwappendes Verebben, das gerade so reicht, um die Scorpions zur Zugabe auf die Bühne zu holen. An den Musikern liegt es nicht, die beherrschen ihr Handwerk. Aber die Menschen im Publikum sind viel zu sehr damit beschäftigt, die Aufnahmefunktionen in ihren Handys zu suchen oder ihren Status zu posten, anstatt sich wirklich auf das Konzert einzulassen.

Eigentlich wünscht man sich die Scorpions in einen kleinen Club mit lauter bierdampfenden Eingeweihten, die das Motto "Rock & Roll forever!" noch wirklich ernst nehmen.

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