Oktoberfest:"Die Diagnose steht und fällt mit dem Giftnachweis"

Lesezeit: 2 min

Noch ist unklar, ob die Blutentnahmen bei betrunkenen Wiesn-Besuchern medizinisch nötig und rechtens waren.

Christina Warta

Die Debatte über die Blutproben von 405 Besuchern des Oktoberfestes 2004, die offenbar mit anzweifelbaren Einverständniserklärungen für eine Studie über Alkoholvergiftung verwendet wurden, geht weiter. Beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK), in dessen Wiesn-Notfallzentrale die Menschen behandelt wurden, bemühte man sich am Montag weiter um Aufklärung. Derzeit prüft die Staatsanwaltschaft München laut Oberstaatsanwalt Anton Winkler, ob Ermittlungen einzuleiten sind.

Ob die Blutentnahmen während des Oktoberfests rechtmäßig waren, wird weiter geprüft. (Foto: Foto: Haas)

In der BRK-Notfallzentrale werden Jahr für Jahr in der Wiesnzeit etwa 9000 Notfälle behandelt. Die Zentrale ist eine Art kleine Notfallklinik mit Behandlungs- und Ruhezimmern, einem Ausnüchterungsbereich und einem kleinen Operationssaal. Notärzte und Rettungsassistenten behandeln dort ehrenamtlich alle Arten von Notfällen. Einen großen Anteil machen stark Betrunkene aus, die irgendwo auf der Theresienwiese zusammengebrochen sind und mehr oder weniger bewusstlos eingeliefert werden.

Um genau diese Personen geht es nun: Ihnen wurde nach der Einlieferung Blut abgenommen - um eine genaue Diagnose zu stellen, erklärt das BRK. Der Verfasser eines anonymen Schreibens dagegen wirft dem BRK vor, die Blutentnahme sei letztlich wohl nur zu Studienzwecken erfolgt und medizinisch in dieser Situation nicht notwendig gewesen.

Peter Behrbohm, Leiter der BRK-Unternehmenskommunikation, bekräftigt jedoch: "Die ärztliche Leitung des Arbeitskreises Theresienwiese vertritt die Auffassung, dass eine Blutentnahme bei Alkoholintoxikation medizinisch indiziert ist." Der Venenzugang werde sowieso gelegt für die Infusion, so Behrbohm, "und vorher wird die Blutprobe genommen".

"Blut abzunehmen finde ich nicht übertrieben" Die Ärzte klären mit Hilfe des Blutes ab, was dem Patienten genau fehlt: Hat er zu viel getrunken, womöglich noch Drogen genommen oder vielleicht sogar einen Schlaganfall erlitten? Norbert Felgenhauer, Oberarzt der toxikologischen Abteilung im Klinikum rechts der Isar, bestätigt diese Vorgehensweise aus medizinischer Sicht: "Blut abzunehmen finde ich nicht übertrieben. Denn die Diagnose steht und fällt mit dem Giftnachweis." Hinter der Bewusstlosigkeit könnten sich auch andere Ursachen verbergen.

Eine andere Frage ist, was mit dem entnommenen Blut passierte: Beim BRK wusste man laut Behrbohm von "der Durchführung einer Analyse anonymisierter Daten", nicht jedoch davon, dass die Ergebnisse veröffentlicht werden sollten. "Nach Aussage von Herrn Binner haben die Patienten die Einverständniserklärung, dass sie an der Studie teilnehmen, beim Verlassen der BRK-Notfallzentrale unterzeichnet", sagt Behrbohm.

Christian Binner aus Leipzig ist einer der Autoren der Studie und arbeitete 2004 und auch 2008 ehrenamtlich in der Notfallstation. Strittig ist ohnehin, ob die Behandelten überhaupt zurechnungsfähig waren, als sie die Einverständniserklärung unterzeichneten. Schließlich waren sie erst einige Stunden zuvor volltrunken in die BRK-Station eingeliefert worden.

Längst hat man sich offenbar auch über den Inhalt der Studie zerstritten: "Herr Hengstler, der Verfasser der Studie, hat uns gegenüber bereits inhaltliche Mängel eingeräumt und gesagt, dass es falsch war, die Studie zu veröffentlichen", erklärt BRK-Mann Behrbohm. Auch Mitautor Christian Binner habe den veröffentlichten Beitrag laut BRK offenbar nicht autorisiert. Die Forscher Binner und Hengstler waren gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

© SZ vom 01.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: