Öffentlicher Nahverkehr:Die U 6 ist ins Stocken geraten

Lesezeit: 3 min

Weil sich bei der Verlängerung der Linie nach Martinsried nichts tut, kommt es zum Streit zwischen Landrat Göbel und der SPD. Dabei hängt es auch am Planegger Gemeinderat, der den Plänen bisher noch nicht zugestimmt hat

Von Martin Mühlfenzl, Martinsried

In kaum einem anderen Punkt sind sich die Protagonisten im Kreistag so einig wie beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Seit Monaten schieben Landrat Christoph Göbel (CSU) und die Fraktionen Projekt um Projekt an, um den Landkreisbürgern in den Bussen und auf der Schiene das Leben zu erleichtern und neue - vor allem tangentiale - Verbindungen anbieten zu können. Dass es jetzt zum Eklat zwischen Landrat Göbel und seiner Stellvertreterin Annette GanssmüllerMaluche (SPD) gekommen ist, liegt aber daran, dass ein zentrales Infrastrukturprogramm nicht in die Gänge kommt: die Verlängerung der U 6 nach Martinsried.

Schon vor Monaten hatte Ganssmüller-Maluche die provokante These geäußert, hätte sie 2014 die Stichwahl gegen Göbel gewonnen, wäre der Spatenstich für den Ausbau der Trasse ab der Endhaltestelle längst erfolgt. Nun legte die Genossin gemeinsam mit der Chefin der Kreis-SPD und Planegger Gemeinderätin Bela Bach und der Fraktionschefin im Kreistag, Ingrid Lenz-Aktas, noch einmal nach: Der Landrat müsse den "gordischen Knoten" zerschlagen, um die Verhandlungen mit dem Freistaat und der Gemeinde Planegg zu beschleunigen, ließen die drei Kreisrätinnen gemeinsam verlauten. Ganssmüller-Maluche sagte, seit Göbels Amtsantritt sei nichts passiert: "Er sagt, er tut viel. Aber ich sehe nicht, dass er tatsächlich etwas vorantreibt." Von "schönen Reden" hatte die Landrats-Stellvertreterin schon zuvor gesprochen, ebenso von "Tatenlosigkeit".

Diese neuerlichen Angriffe zwangen Göbel in der Sitzung des Mobilitätsausschusses, in der er einen Sachstandsbericht zur Verlängerung der U-Bahn vortragen wollte, zu einer für ihn ungewöhnlichen Reaktion. Er attackierte seine Stellvertreterin direkt. "Annette Ganssmüller-Maluche ist dafür verantwortlich, dass in dieser Sache ständig etwas veröffentlicht wird", sagt der Landrat. "Es wird von ihr fortwährend erzählt, der Landrat tut nichts. Sie soll das unterlassen. Das ist keine faire Art der Auseinandersetzung."

Die Kritik der SPD-Spitze fällt in eine Zeit, die entscheidend für den Fortgang des Projekts sein dürfte. Eigentlich sind bereits alle relevanten Voraussetzungen geschaffen, die Finanzierung steht, ebenso die Planfeststellung. Allerdings hat der Planegger Gemeinderat den Plänen bisher noch nicht zugestimmt. Bürgermeister Heinrich Hofmann (SPD) weigert sich bisher, dem Gremium den Vertrag vorzulegen. "Und das kann er auch nicht, weil noch Risiken offen sind. Wir wissen nicht, welche Anschlusskosten etwa durch Betriebskosten auf die Gemeinde zukommen könnten", sagt Bela Bach. "Würden wir jetzt abstimmen, käme das einem Blankoscheck gleich."

Im Gegensatz zu Ganssmüller-Maluche vermeidet Bach indes direkte Attacken auf den Landrat und nimmt vielmehr den Freistaat ins Visier. Die Staatsregierung lasse nicht erkennen, allzu großes Interesse an der Verlängerung der U 6 zu haben, sagt die SPD-Kreischefin: "Wir als Gemeinde haben dem Freistaat in Martinsried bewusst wertvolle Flächen für Forschung und Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug war die Verlängerung der U-Bahn ein konkretes Versprechen."

Dennoch fordert auch Bach den Landrat auf, die Gemeinde konkret zu unterstützen: Etwa mit der Zusage einer Bürgschaft für möglicherweise anfallende Betriebskosten. "Würde der Landkreis das akzeptieren, könnte die Gemeinde Planegg auch zustimmen", glaubt die SPD-Chefin. "Diese Rückendeckung aus dem Landratsamt brauchen wir. Und wir würden uns wünschen, dass der Landrat als starke Kraft die Gespräche wieder in Gang bringt."

Der Landkreis selbst ist freilich nur einer von vielen Partnern, die Projekte dieser Größenordnung - die Verlängerung wird mehr als 70 Millionen Euro kosten - vorantreiben kann. Und Landrat Göbel sagt, dass er dies auch mit Vehemenz tue. "Ich führe diese Gespräche und bin auch mit Bürgermeister Hofmann im ständigen Austausch", sagt Göbel. "Ich kenne jeden einzelnen Vorgang rund um dieses Projekt. Aber mehr als die Gespräche zu führen, kann der Landkreis nicht."

Derzeit liege der Ball beim Finanzamt München, das die konkreten finanziellen Belastungen eruiere. "Aber das braucht Zeit", sagt Göbel. "Was steht, ist unser Kreistagsbeschluss, uns an den Kosten zu beteiligen."

Der Würmtalerin und Gemeinderätin Bela Bach geht dies alles nicht schnell genug. "Wir sollten uns jetzt eigentlich längst über die Verlängerung der U-Bahn nach Planegg und Neuried unterhalten", sagt sie. "Dass die U-Bahn noch nicht gebaut wird, versteht nicht nur in Martinsried eigentlich kein Mensch mehr."

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: