Obersendling:Schablonen-Kunst

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Mit Spraydose: Vor allem Jugendliche, die vom Imal betreut werden, sind in dieser Woche am Tram-Häuschen zugange. Obersendlinger, die das inspiriert, dürfen aber ebenso zur Farbe greifen. (Foto: Florian Peljak)

Wieder einmal stemmen sich Menschen mit Farbe gegen das Grau am Ratzingerplatz

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Wer ein wenig Farbe in die Tristesse des Ratzingerplatzes zaubert, kann sich der Aufmerksamkeit gewiss sein. Diese Erfahrung machen seit ein paar Tagen die Teilnehmer einer Kunstaktion, bei der die Fassade des ehemaligen Tram-Wartehäuschens neu gestaltet wird. Den Auftrag dazu gab der Bezirksausschuss Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln. Dessen Mitglied Richard Ladewig (FDP) leierte die bunte Schablonen-Graffiti-Show zusammen mit dem International Munich Art Lab (Imal) an, hinter dem wiederum der Trägerverein für Jugendarbeit "Kontrapunkt" steht.

Trotz brütender Hitze herrscht in dieser Woche täglich von 10 bis 14 Uhr reges Treiben, wo sonst Musikgruppen ihre Übungsräume haben. Die Mediendesignerin Karen Felgueres, die das Projekt mitbetreut, verspürt bei jungen wie älteren Graffitifans eine "totale Lust, das Trambahnhäuschen mitzugestalten". Auf Sinan Kollmar trifft das ganz sicher zu. Der Jugendliche, der an der Schwelle zu einer Fotografenlehre steht, bringt in der Mittagsglut des Dienstags Korrekturen an seiner Fantasiefigur mit blonden Haaren an. Dabei schwärmt er von der "saugeilen Aktion", die es ihm ermöglicht, völlig legal seine künstlerische Handschrift zu hinterlassen.

Die entfesselte Kreativität aus der Spraydose strotzt nur so vor Vielfalt. Hier der lustige Comic mit einem Männchen, dem eine gefundene Gitarre höchstes Glück beschert, dort ein stilisiertes Flugzeug, dazu mehrere Figuren aus unbekannten Fabelwelten. Das Meiste schön bunt, natürlich. Frühere Wandmalereien am Trambahnhäuschen werden nicht einfach übertüncht, sondern teilweise in neue, flächigere Gebilde integriert. Die muntere Aktion, bei der Musik aus einem Begleitwagen schallt, während die Akteure an einem großen Tisch ihre Entwürfe entwickeln, währt noch bis einschließlich Freitag.

Ziel der kollektiven Kunstentfaltung, zu der primär angeleitete Jugendliche in der beruflichen Orientierungsphase aufgerufen sind, bei der aber auch alle Bürger Obersendlings mitmachen dürfen, sei die Schaffung einer Art "Autorengalerie" aus kleinen Werken. Das Imal, vor 22 Jahren gegründet, hat Erfahrung mit solchen Projekten. Es initiierte in München schon mehrmals spektakuläre Kunstaktionen, keineswegs nur Graffiti. "Urbane Kultur, Medienkunst, Bildende Kunst überhaupt sind unser Anliegen", sagt Ulrich Gläss, ein leitendes Mitglied der Organisation. Wie es zur sprühenden Idee mit dem Ratzingerplatz kam? Da habe ein Mitglied des Bezirksausschusses wohl Ähnliches in einer Unterführung der Landshuter Allee beobachtet, erinnert sich Gläss. "Und dann wollten die auch sowas haben."

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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