Obersendling:Das "Junge Quartier" wird erwachsen

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In den Siemens-Bürobauten an der Schertlinstraße sollen junge Flüchtlinge und Münchner zusammenfinden. Ein Jugendcafé ist ebenfalls geplant, und auch das Sozialbürgerhaus könnte von der Plinganserstraße hierher ziehen

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Seit knapp einem Jahr feilt die Stadt München an einem Konzept für ihr Integrationsprojekt "Junges Quartier Obersendling". In vier ehemaligen, gut erhaltenen Siemens-Bürobauten aus den Sechzigerjahren an der Schertlinstraße in Obersendling sollen künftig junge Menschen mit unterschiedlichen Lebenshintergründen Lernen, Wohnen und kulturelle Begegnung verbinden. Nicht zuletzt für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge würden die geplanten "Module" vorübergehend zum Domizil, besonders im ersten Jahr ihrer Nutzung.

Das Sozialreferat und das Planungsreferat haben jetzt weitere Komponenten für das "Junge Quartier" ins Spiel gebracht: Zum einen könnte das Sozialbürgerhaus Plinganserstraße hierher verlegt werden, zum anderen ein ursprünglich für das Neubaugebiet "Am Südpark" (Eon-Gelände) vorgesehenes Jugendcafé. Vor allem die zweite Idee stößt im Stadtteil auf starke Vorbehalte. Wie sich bei der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) 19 zeigte, befürchten Lokalpolitiker aller Fraktionen, dass Angebote für die Hauptzielgruppe des konzeptionell bereits weit gediehenen Jugendcafés, die Zehn- bis Vierzehnjährigen, an der Schertlinstraße wegen der dort dominierenden jungen Erwachsenen unter den Tisch fallen könnten.

Darüber hinaus empören sich BA-Mitglieder über die überraschenden und kurzfristig zu beantwortenden Umplanungen, mit denen das Stadtteilgremium vom Sozialreferat konfrontiert werde. "Guerillataktik" nannte das eine Vertreterin der CSU-Fraktion. Eine "falsche Prioritätensetzung, dazu alles hopplahopp" kritisierte ebenso der Sprecher des BA-Unterausschusses Bau und Planung, Michael Kollatz (SPD). Auf diese Weise gehe ein zentrales Entwicklungskonzept für den Stadtbezirk am BA vorbei.

Überdies gerate der städtische Teil der Bebauung des ehemaligen Eon-Geländes durch ständige Konzeptänderungen in Verzug. Die Gewofag hinke schon jetzt ein halbes Jahr hinter dem Zeitplan her. Doris Schüle-Wolfsfellner vom Sozialreferat schluckte mit Mühe die Kritik und versicherte, dass im Zentrum des Projekts "Junges Quartier" nach wie vor Ausbildungsangebote für junge Menschen stünden, "verzahnt mit deren Unterbringung an einem Standort". Dafür werde die Stadt viel Geld investieren, weshalb sie an langfristigen Mietverträgen interessiert sei. Ene schleichende Veränderung des Gewerbeareals zum Wohngebiet sei ausdrücklich nicht beabsichtigt, beteuerte Schüle-Wolfsfellner.

Eben dies ist eine weitere Befürchtung des Bezirksausschusses. "Hier soll ein Gewerbegebiet in etwas Konzeptionsloses umgewandelt werden", argwöhnte Richard Ladewig (FDP). Es sei deshalb an der Zeit, sich strategisch und gesamtplanerisch mit dem Gewerbeband Obersendling zu befassen. Auch die CSU forderte, dass man sich dem Trend zur Umnutzung ehemaliger Betriebsgebäude widersetzen solle. In den Quartiersmodulen an der Schertlinstraße sollen neben dem Sozialbürgerhaus und dem Jugendcafé auch ein Boardinghouse in sozialer Trägerschaft für junge Auszubildende sowie eine Gemeinschaftskantine und außerdem noch Büros für jugendkulturelle Vereine geschaffen werden.

Auf dem ehemaligen Eon-Gelände, wo das Jugendcafé zunächst geplant war, entsteht nun ein Familienzentrum mit Beratungsschwerpunkt. Davon könnten etwa das Mikado-Musikprojekt, die "Schlau-Schule" oder der Verein "Bunt kickt gut" profitieren. Ferner ist an die Teilnutzung der Räume durch Berufs- und Sprachschulen gedacht. Das 25 000 Quadratmeter große Grundstück in Obersendling mit fünf Gebäuden, von denen vier für das "Junge Quartier" genutzt werden sollen, gehört einer privaten Immobilienfirma.

Ein starker Befürworter des Projekts ist Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er sieht in dem Modell die Chance, unter- schiedliche junge Menschen zusammenzubringen, die auf diese Weise gemeinsam lernen, wohnen und sich kulturell austauschen könnten. Aus Sicht der Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) eröffnet das Vorhaben ferner die Möglichkeit, einen Großteil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge unterzubringen.

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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