Obersendling:Anlaufstelle für Suchtkranke

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Tag der offenen Tür bei der Fachambulanz in Obersendling

Von Jürgen Wolfram, Obersendling

Trinkerlieder würden Bärbel Löhnert vermutlich eher nachdenklich als fröhlich stimmen. Denn als Inhaberin und Geschäftsführerin der KPB-Fachambulanz für Suchterkrankungen kennt sie nur zu gut die Gefahr, die vom Alkohol ausgeht. Bier, Wein, Schnaps - die Volksdroge Nummer eins füllt die Gläser in den unterschiedlichsten Varianten, ungefährlich aber ist sie allenfalls in minimaler Dosis. Weil zu wenige Menschen dies berücksichtigen, verzeichnet Löhnerts private Ambulanz "stetige Nachfrage". Die hier beschäftigten Fachärzte, Psychologen und Sozialpädagogen betreuen überdies Medikamentenabhängige, pathologische Glücksspieler und auch Nikotinsüchtige.

Gegründet wurde die private Fachambulanz mit ihren zwei Niederlassungen in Obersendling und Dachau im Jahr 1990. Der 1989 verstorbene Mann Bärbel Löhnerts entwarf das Konzept dafür. Es basiert auf der Erkenntnis, dass die medizinische Rehabilitation bei Suchterkrankungen auch ambulant funktioniert, wohnortnah, arbeitsbegleitend und im vertrauten sozialen Umfeld. Bis dahin gab es nur die stationäre Therapie. Heute ist die KPB von allen Krankenkassen, Rentenversicherungsträgern und Beihilfestellen anerkannt. Üblich ist die Zusammenarbeit mit Fachverbänden, Hausärzten und Selbsthilfegruppen.

Sein Doppeljubiläum feiert das Unternehmen am Donnerstag, 26. November, mit einem Tag der offenen Tür in ihren Büros an der Machtlfinger Straße 11/2. Stock. Von 16 bis 20 Uhr stehen Vorträge rund ums Thema Suchterkrankungen sowie Einführungen in Strategien zur Stressbewältigung auf dem Programm.

80 bis 100 Patienten sind in den beiden KPB-Fachambulanzen jeweils in Behandlung. Allein in Obersendling stehen 15 Fachkräfte bereit, um verzweifelten Suchtkranken und ihren Angehörigen zu signalisieren: "Es gibt Hilfe." Die reicht von Workshops für Betriebe über die Einzelberatung bis zur etwa einjährigen therapeutischen Rundumbegleitung. "Sucht hat eine lange Entwicklungszeit", weiß Löhnert, man müsse deshalb auf viele Lebensbereiche der Betroffenen schauen. Und die wiederum müssten den unbedingten Willen mitbringen, ihre Abhängigkeit zu überwinden. Gut, wenn ihnen dabei Freunde und Angehörige durch einfühlsame Ansprache helfen. Suchtentwicklung ziehe sich in der Regel über zehn bis 14 Jahre hin, deshalb stellen Personen zwischen 45 und 55 den größten Patientenanteil. Grenzen nach oben gibt es jedoch nicht, der Griff zur Flasche oder Pille aus Alterseinsamkeit ist kein seltenes Phänomen. Von einer Cannabis-Freigabe hält Löhnert im Übrigen nicht viel: "Die Gesellschaft ist eh schon auf dem Suchttrip, da braucht es keine zusätzlichen Drogen."

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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