OB-Wahlkampf auf Facebook:Wo der Wiesnchef die Toten Hosen lobt

Lesezeit: 3 min

Die Münchner OB-Kandidaten auf Facebook. (Foto: N/A)

Alle vier Münchner OB-Kandidaten buhlen bei Facebook um die Gunst der Wähler - mit unterschiedlichem Erfolg: Der Außenseiter hat erst vier Fans, die einzige Frau bastelt noch und der Wiesnchef lobt die Toten Hosen - und postet schräge Postkarten.

Silke Lode

Von Dieter Reiter gibt es eine ziemlich schräge Postkarte: Der OB-Kandidat der SPD vor dem Gärtnerplatz-Theater, Arm in Arm mit einem Transvestiten im knallroten Frack und mit platinblonder Hochsteckfrisur. Die Botschaft steht daneben: "München lieben - miteinander leben. Dieter Reiter wünscht viel Spaß auf dem CSD."

Verschicken konnte man die Karte portofrei - über Facebook, dort hatte Reiter sie auf seiner Seite gepostet. Rückmeldungen bekam er dafür nicht nur in der virtuellen Welt. Alte Bekannte hätten ihn auf seinen Facebook-Auftritt angesprochen, erzählt Reiter. "Was Du jetzt alles machst . . . Muss man das jetzt, um OB in München zu werden?"

Ja, man muss - zumindest kommen alle Bewerber um den OB-Sessel zu diesem Schluss. Dieter Reiter, Josef Schmid (CSU), Sabine Nallinger (Grüne), und seit wenigen Wochen auch Michael Mattar (FDP): alle sind sie bei Facebook. Am deutlichsten ist der Zusammenhang zwischen Social-Media-Aktivitäten und Kandidatur bei Mattar zu sehen.

Am 12. November 2012 verkündeten die Liberalen, dass sie Mattar ins Rennen um das Rathaus schicken würden, einen Tag später hatte er seine Kampagnenseite bei Facebook eingerichtet. Anders als bei privaten Seiten kann man sich dort nicht miteinander anfreunden. Facebook-Nutzer können nur den Daumen für den Inhalt und Betreiber der Seite heben. Bei Mattars Seite, die kaum zu finden ist, haben bisher nur vier Leute auf "Gefällt mir" geklickt. Allerdings hat er seine Seite auch noch nicht offiziell vorgestellt. Einige Posts hat Mattar zwar schon verfasst - aber nicht einmal auf seiner eigenen Internetseite findet sich ein Link zu Facebook.

Josef Schmid, der bereits zum zweiten Mal bei der OB-Wahl antritt, ist auch auf Facebook der Routinier unter den Kandidaten - seine private Seite hat er seit fast drei Jahren, mit 1825 Freunden verzeichnet er auch die meisten virtuellen Bekannten. Von der Privatseite soll bald aber nichts mehr zu sehen sein: Schmid lässt sie abschalten, weil auch er vor wenigen Tagen auf eine professionelle Kampagnenseite umgestiegen ist. Am 8. Januar hat die CSU ganz formgerecht über Twitter die neue Präsenz angekündigt, 323 "Gefällt mir"-Klicks hat der CSU-Kandidat seither gesammelt.

"Ob Facebook da das beste Medium ist, weiß ich nicht"

Schmid erzählt, dass eine Agentur ihm die Seite gestaltet habe und dass dort erste Elemente seiner Wahlkampagne zu sehen seien. Eigentlich will er darüber aber noch gar nicht sprechen. Die Seitenoptik zeigt im orange-blauen Retrodesign einen VW-Bus, ein stilisiertes Bild von Schmid und den Slogan: "Schmidsprechen. Die Stadtteiltour von Josef Schmid". Den Bus gibt es nicht nur im Internet - zumindest so viel verrät Schmid. Ansonsten gibt es auf seiner Facebook-Seite noch nicht viel zu sehen, außer einem Foto in einem Giesinger Café und Glückwünschen von ersten Fans.

Eine öffentliche Kampagnen-Seite hat Sabine Nallinger noch nicht, aber sie bastelt daran. Doch auch sie nutzt Facebook schon länger privat, so privat, dass man nicht einmal die Zahl ihrer Freunde sehen kann, solange man nicht selbst mit ihr befreundet ist. 591 sind es, verrät sie. Viele von ihnen sind nicht nur Facebook-, sondern auch Parteifreunde. "Wir führen viele innerparteiliche Debatten über Facebook", erzählt Nallinger.

Zum Beispiel über den Auftritt des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer bei einer Stadtversammlung der Grünen, die die Grüne Jugend aus Protest gegen einige Äußerungen Palmers verlassen hatte. "Ob Facebook da das beste Medium ist, weiß ich nicht", sagt Nallinger. "Aber man kann Konflikte schnell angehen."

Bisher hat sie die sozialen Medien vor allem genutzt, um auf ihre Termine und Veranstaltungen hinzuweisen. Aber sie schätzt auch den direkten Draht zu anderen Politikern: "Ich kann zum Beispiel dem SPD-Chef Uli Pfaffmann eine Mail schreiben, wenn ich ihn mal nicht verstanden habe", erzählt sie. Die Bedeutung von Facebook will Nallinger nicht zu hoch hängen - "aber es befördert die Kommunikation, und im Wahlkampf muss man sich überall präsentieren, um verschiedene Gruppen anzusprechen".

Dieter Reiter ist zwar erst seit vergangenem April bei Facebook - dafür ist er sofort mit einer Profi-Seite eingestiegen und hat inzwischen ein beträchtliches Stück Werbung für seine Person zusammengetragen. Fröhliche Fotos von der Wiesn und vom Kocherlball, dröge Bilder aus Wirtshaus-Hinterzimmern, begeisterte Posts über eine neue Single der Toten Hosen, politische Spitzen gegen Markus Söder und die CSU und natürlich die virtuelle Postkarte vor dem Gärtnerplatz-Theater. 1733 "Likes" hat ihm das bisher eingebracht.

Über das neue Medium hat Reiter inzwischen einiges gelernt. Anfangs zum Beispiel waren viele seiner Posts von Mitarbeitern geschrieben. "Das will die Community nicht", sagt er heute - selbst wenn die Beiträge gekennzeichnet sind. "Die Leute interessiert meine Meinung, nicht die meines Teams."

Auch das Wort "Shitstorm" ist ihm nun geläufig, obwohl er selbst noch nie einem der berüchtigten Beschimpfungsstürme im Netz ausgesetzt war. "Natürlich ist aber nicht alles positiv, was einem die Leute an die Pinnwand schreiben", gesteht Reiter. Als er zum Beispiel die Urheberschaft für das Semesterticket für sich reklamieren wollte, wurde er sofort auf der eigenen Seite zurechtgewiesen. Aber Kommentare zu löschen - das kommt für ihn nicht in Frage. "So viel Transparenz muss man aushalten."

© SZ vom 14.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: