Null Acht Neun:Nichts gegen den Leberkäs

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Rund um den Goetheplatz gibt es momentan vor allem ein Gesprächsthema: den Chef der örtlichen Metzgerei Schlagbauer. Dabei hat das Viertel auch noch ganz andere Drogenthemen

Von Vera Schroeder

Viel Straßengossip gibt es derzeit rund um den Goetheplatz. Hat doch der Metzger des Viertels, Georg Schlagbauer, einen waschechten Rotlicht-Skandal hingelegt, der direkt aus einem amerikanischen Seriendrehbuch stammen könnte. Bis vor gar nicht so langer Zeit stand der aufstrebende CSU-Star an manchen Samstagen noch höchstpersönlich hinter der Biowürstchentheke an der Waltherstraße. Auffälliger Sportwagen, zupackendes Lächeln, maximaler Viertelglamour.

Und jetzt: Koks, Bordellbesuche, Schulden. Rücktritt von allen öffentlichen Ämtern. "The Butcher, the butcher, how could he dare!", wehklagt die amerikanische Besitzerin des Klamottengeschäfts schräg gegenüber. Der Metzger, der Metzger, wie konnte er es nur wagen. Mitleid, Drama, die arme (Ex-)Frau, die armen Kinder, die arme Metzgerei, der arme Stadtrat und obendrein auch noch die arme CSU.

Es wird gequatscht und bedauert, was die Einkaufstüten halten. Das recht einhellige Urteil auch bei der Dame, die anderen Damen im Viertel die Nägel hübsch macht: Es muss der schnelle Aufstieg und das Koks gewesen sein, was dem Mann zu Kopf gestiegen ist. Dabei ist er doch eigentlich so ein Fleißiger. Und gegen den Leberkäs kann man wirklich nichts sagen. Überhaupt: Wie sie immer auf artgerechte Tierhaltung geachtet haben in der Metzgerei Schlagbauer.

Sehr viel weniger freundlich fällt das Urteil über die aus, die eine Mutter in diesen Tagen "die richtigen Drogis" nennt und die bis vor zwei Wochen noch an der Straßenecke direkt neben der Metzgerei hausten. An sonnigen Tagen stellten die Klienten der Condrobs-Tagesklinik ein Holzbänkchen vor die Tür und rauchten. Tätowierte, oft muskelbepackte und trotzdem irgendwie wackelig aussehende Männer, auch Frauen, die in der Tagesklinik versuchten, ihre Sucht besser in den Griff zu bekommen. Von ihrem Sonnenbänkchen aus klatschten sie mit den Kleinkindern ab, die mit dem Laufrad auf dem Weg in den Kindergarten vorbeirollerten, während die Mütter sich was von Spritzbestecken im Hinterhof zuflüsterten.

Nach elf Jahren lief für Condrobs der befristete Mietvertrag aus. Die Immobilienpreise des Viertels haben sich in der Zeit mehr als verdoppelt, die Toleranz der neuen Nachbarschaft hat sich im selben Zeitraum eher halbiert. Bezahlbare und zentral gelegene Ersatzräume konnten für die Tagesklinik nicht gefunden werden. Die Klienten müssen in anderen Einrichtungen unterkommen. Oder gar nicht mehr.

Was der Schlagbauer-Skandal mit der Condrobs-Sache zu tun hat? Gar nichts. Allein zeitliche Koinzidenz und ein klitzekleiner Hauch von Unbehagen darüber, wie besorgt über das eine und wie unbesorgt, nein, wie erleichtert, über das andere geredet wird. Die Waltherstraße jedenfalls ist jetzt drogenfrei. Die Viertelmütter atmen auf. Und beim Schlagbauer gibt es weiter frisches Hackfleisch. Irgendwann, da ist man sich hier sicher, kommt der Chef schon zurück.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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