Notfall-Medizin:Ein neuer Heli für die Lebensretter

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"Christoph München" bringt Ärzten und Piloten im Einsatz viele Vorteile. Wie die Intensivpatienten davon profitieren.

Von Marco Völklein

Heiko Baschnegger ist ein erfahrener Anästhesist und Intensivmediziner am Klinikum Großhadern. Und er hat als Notarzt schon einiges erlebt. Daher weiß er an diesem Tag auch schon nach einem kurzen Telefonat mit der diensthabenden Ärztin in der Klinik in Bad Aibling: "Der Patient muss da weg."

In dem kleinen Kreiskrankenhaus kann er nicht optimal versorgt werden. Ein Multiorganversagen schwächt ihn, vermutlich ausgelöst durch eine Lungenentzündung. Mindestens nach Rosenheim müsste er verlegt werden. Besser noch, er käme gleich nach Großhadern. Zu den Spezialisten dort, die sämtliche Geräte zur Verfügung haben, um den Mann zu versorgen.

Klare Aufgabenverteilung

Der Patient braucht also Hilfe, dringend. Doch Heiko Baschnegger drängelt nicht, sachlich und nüchtern schildert er die Lage. Pilot Harald Weber hört aufmerksam zu, checkt parallel dazu an einem Bildschirm die Wetterlage. Was er aus dem Fenster der Luftrettungsstation auf dem Gelände des Klinikums in Großhadern sehen kann, wirkt gut. Es ist leicht diesig, aber eigentlich steht einem Hubschrauberflug nichts im Wege. Das Problem ist nur: In Bad Aibling hängt dichter Nebel. Das zeigt das Wetterradar. Und Weber kann es auf den Internet-Webcams sehen, die er immer wieder per Mausklick aktualisiert.

"Wir haben hier klare Aufgabenverteilungen", sagt Arzt Baschnegger. "Die Med-Crew", der Notarzt selbst und Rettungsassistent Dirk Burmann, "ist für das Medizinische verantwortlich. Und der Pilot für das Fliegerische." Keiner redet dem anderen rein. Und weil Pilot Weber sagt , dass es noch zu neblig ist in Bad Aibling, bleibt der Helikopter "Christoph München" zunächst am Boden.

Leiser und sicherer

Dabei fliegt Weber gern - und in letzter Zeit sogar noch lieber also vorher, weil die DRF-Luftrettung einen neuen Helikopter in Großhadern stationiert hat. Die Maschine vom Typ H 145 der neuesten Generation soll leiser sein als der bisher stationierte Flieger. Die Besatzung kann mehr zuladen. Und eine Ummantelung um den Heckrotor verhindert, dass Personen am Boden verletzt werden. Vor allem aber soll die neue Maschine den Piloten wie dem medizinischen Personal die Arbeit erleichtern.

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So seien die Anzeigen im Cockpit klarer und eindeutiger angeordnet, sagt Weber, schwingt sich auf den Sitz vorne rechts im Helikopter und deutet auf die drei Computerbildschirme vor sich. Öldruck, Tankbefüllung, Abgastemperatur der beiden Turbinen mit jeweils etwas mehr als 1000 PS - alles, was ein Pilot während eines Fluges im Blick halten muss, kann er sich aufschalten. Es gibt ein Kollisionswarnsystem, und zwei GPS-Geräte erleichtern die Orientierung. "Die sind echt für Deppen gemacht", lobt Weber die Bedienung der beiden Geräte. Das Handbuch habe er sich noch kein einziges Mal ansehen müssen. Das Ziel sei es, den "Workload", also die Belastung des Piloten, zu reduzieren, damit der sich besser konzentrieren kann. "Alles im Sinne der Sicherheit."

Auch im Laderaum hinter der Pilotenkanzel wurde einiges verändert, sagt Arzt Baschnegger. Der Patient liegt nun an der rechten Seite und nicht mehr links. So müssen Arzt und Rettungsassistent nicht mehr über Kreuz arbeiten. Die medizinischen Geräte können sie an diversen Schienen befestigen; die Bestuhlung lässt sich verschieben, um gegebenenfalls mehr Platz zu haben. Aufgeräumter wirkt es nun im neuen Helikopter. So kann auch die Med-Crew besser arbeiten. Was in einem Rettungshelikopter ja nicht selten bedeutet: Sie kann besser Leben retten.

An diesem Tag geht es um das Leben eines 76-Jährigen in Bad Aibling. "Christoph München" ist ein Helikopter, der vor allem für "Sekundäreinsätze" genutzt wird, also um Intensivpatienten zu verlegen, die in der Klinik, in der sie gerade liegen, nicht optimal behandelt werden können. Für "Primäreinsätze", also Notarzteinsätze etwa bei Unfällen auf der Autobahn oder bei Erkrankungen in abgelegenen Gegenden, steht in München "Christoph 1" am Klinikum Harlaching bereit, betrieben vom ADAC.

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Sicherheit geht immer vor

Wenn aber Christoph 1 beschäftigt ist und die Besatzung von Christoph München gerade keinen Intensivtransport hat, rücken auch die DRF-Retter zu Primäreinsätzen aus, mittlerweile macht dieses Feld etwa 40 Prozent der Aufträge aus. Zudem kann nur der DRF-Helikopter bei Nacht fliegen. Zu diesem Zweck sind die Piloten mit speziellen Nachtsichtgeräten ausgestattet. Aber auch hier gilt: Das Wetter muss stimmen, sonst bleibt der Hubschrauber am Boden. Sicherheit geht vor.

So wie an diesem Vormittag. Gegen 11 Uhr entscheidet Pilot Weber dann doch: "Wir fliegen." Das Radarbild zeigt, dass der Nebel langsam aufklart. "Wie es wirklich ist", sagt Weber, "sieht man ohnehin erst vor Ort". In wenigen Minuten ist die Maschine in der Luft, Weber steuert zunächst in direkter Linie auf Bad Aibling zu. Nach ein paar Minuten in der Luft dreht die Maschine dann aber nach links ab. Noch immer hängen dichte Nebelfelder über dem Alpenvorland.

Bessere Chancen für die Patienten

Weber sucht eine neue Route, im Zickzackkurs arbeitet er sich nach Bad Aibling vor. Auf einem kleinen Landeplatz geht er runter. Ein Krankenwagen steht schon bereit. Baschnegger und Burmann verladen ihre Trage und ein paar medizinische Gerätschaften in den Wagen, dann lassen sie sich in die Klinik fahren. Pilot Weber bleibt an der Maschine zurück.

Es dauert einige Zeit, bis der Patient im Krankenhaus in Bad Aibling vorbereitet worden ist. Etwa eine Stunde später sind die drei Retter mit ihrem Patienten wieder in der Luft. Es geht zurück nach Großhadern, auf die Intensivstation. Der Flug dauert 15 Minuten. Die Fachärzte dort warten schon auf ihn.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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