Nockherberg:"Gustav Gans der CSU"

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Finanzkrise auf dem Nockherberg: Auch das nachgeholte Derblecken hat nichts von seiner Schärfe und Würze verloren.

Wolfgang Görl und Joachim Käppner

"Gebt, gebt, gebt", ruft Bruder Barnabas alias Michael Lerchenberg, den Klingelbeutel schwingend, durch den Festsaal des Nockherbergs. "Gebt ihr Leute! Bänker, Broker, Börsenspekulanten ziehen bettelnd durch die Landen."

Fastenprediger Bruder Barnabas ging mit den Politikern hart ins Gericht. (Foto: Foto: ddp)

Einige geben tatsächlich, so dass der Bußprediger die Beute gleich Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon aushändigen kann: "Rechnens doch mal nach, was rauskemma is bei unserer Kollekte für notleidende Landesbankmanager."

Die Finanzkrise! Worüber könnte ein Bußprediger wütender wettern, als über die Gier von Spekulanten und Bankmanagern? Das klassische Derblecken war wegen des Amoklaufs von Winnenden auf April verschoben worden; der Wucht der Bußpredigt tat die Terminänderung keinen Abbruch.

Lerchenberg und sein Co-Autor Christian Springer haben sich, wie schon bei ihrer Premiere im vergangenen Jahr, den deftigen Stil mittelalterlicher Prediger zu eigen gemacht, um der Finanzbranche die Leviten zu lesen: "Sünde, dein Name sei Anlageberater!" Und da standen sie dann allesamt am Pranger: der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann, der ehemalige BDI-Vorsitzende Hans-Olaf Henkel, der Präsident des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn und die anderen "Neoliberalisten, Glücksspieler und Raubtierkapitalisten".

Lerchenbergs Philippika gegen die Finanzbranche ist dermaßen heftig, dass die zum Freibier versammelte Polit-Prominenz womöglich hofft, der Bußprediger habe sein Pulver verschossen, ehe sie selbst an der Reihe ist. Doch es kommt anders: Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wird als Brachialhumorist bespöttelt, der die Krise gnadenlos weglächelt: "Und der Parteifreund, der heute das Ziel ihres Kantinenwitzes ist, kann sich ausrechnen, dass er morgen schon frisch rasiert auf dem Schafott liegt."

Umweltminister Markus Söder muss sich sagen lassen, er sei "der Donald Duck des bayerischen Kabinetts", weil er eifrig hin- und herwuselt, aber leider vergebens, denn am Ende stiehlt ihm ein anderer die Schau.

Dieser andere ist Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der"Gustav Gans der CSU" und zudem der Einzige in der Partei, "der alles kann, sogar Hochdeutsch".

Auf die bayerische SPD freilich mag Bruder Barnabas gar nicht mehr so richtig schimpfen. Sie bekommt das, was gleich nach dem kompletten Ignorieren die Höchststrafe beim Derblecken ist: Mitleid. "Aber ach Herr! Aber was mach ma denn mit der bayerischen SPD? Gib uns ein Zeichen! Wie die letzten Mohikaner, die langsam aussterben, schleichen die letzten bayerischen Rothäute durch die Regierungsbezirke."

Erneut erweist sich Lerchenberg als wunderbarer Schauspieler, der auch dort Pointen zündet, wo eigentlich keine sind. Mit etwas weniger missionarischem Furor und etwas mehr subtilem Witz wäre die Fastenpredigt sogar noch vergnüglicher gewesen. Am Ende steht ein komisch-bitterer Satz Karl Valentins: Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist."

Das Singspiel vor der hübschen Kulisse von Burg Nockherberg wartet mit einem wunderbaren Novizen auf: Stefan Murr sitzt mit aristokratischer Hochnäsigkeit als Wirtschaftsminister zu Guttenberg in der Kutsche. Merkel muss ziehen.

Sofort herrscht beste Laune im Saal. Auf die Frage der erlauchten Königin Angela von Gesamtkrisien (erstklassig wie immer: Corinna Duhr), warum es in der Krise denn nicht weitergehe, antwortet er blasiert: "Erinnere Dich, wir mussten die Pferde doch erschießen."

Wie immer bietet das Singspiel schönen Wortwitz, etwa Horst Seehofer über sein Erfolgsrezept: "Das Faszinierende meiner Politik ist, mit leeren Händen zu kommen, Zustimmung zu ernten und wieder zu gehen." Es scheint aber doch, als habe das Singspiel mit Stoiber, mit der Alleinherrschaft der CSU, also dem klassischen Stoff der Polemik, ein wenig an Kraft verloren. Aber unterhaltsam bleibt es, mit vielen schönen Pointen.

Ein verlässliches Highlight: Coautor Uli Bauer als Christian Ude, dem die Finanzkrise die späten Jahre des Ruhms versaubeutelt: "Oh, ich hab leider den Absprung verpennt/wo ich scho seit Jahr am Strand liegen könnt." Es mag fast scheinen, als sähen sich der Parodist und sein Oberbürgermeister immer ähnlicher; daher beginnt sich der falsche Ude mit sich selbst zu langweilen, wenn er in jenem salbungsvollen Ton, zu dem der OB auch bei wohlwollender Betrachtung durchaus fähig ist, anhebt:

"Da bin ich wieder, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger..." Aber dann: "Mein Gott, ich kann mich langsam selber nicht mehr hören. Und das jetzt noch fünf Jahre oder elf oder..." An den (echten) CSU-Herausforderer Seppi Schmid - der diesmal sogar wirklich im Publikum sitzen durfte - gerichtet, ruft der Ude: "Bitte, Seppi, machs doch Du!" Aber bis dahin wird noch viel Starkbier am Nockherberg fließen.

© SZ vom 03.04.2009/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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