Prozess in München:Von Kunst, Koks und dem letzten Schwabinger

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Künstler Nicolai Tregor steht zwischen den beiden Skulpturen von Helmut Dietl und Helmut Fischer. (Foto: Florian Peljak)

Bildhauer Nicolai Tregor wird wegen Erwerbs von zwei Gramm Kokain zu einer Geldstrafe verurteilt. Er sieht die Chatnachrichten mit einem Dealer als "Spaß", sein Anwalt kündigt Berufung an.

Von Susi Wimmer

"Seid ihr alle wegen mir da?", fragt der Künstler kokett in die Runde der Medienvertreter. Theatralisch verkündet Nicolai Tregor vor der Verhandlung auf dem Gang, es werde sich alles aufklären. Das mit der Aufklärung sah die Richterin auch so, aber anders als es sich der Bildhauer erhofft hatte: Das Amtsgericht verurteilte Nicolai Tregor wegen des Erwerbs von zwei Gramm Kokain zu 80 Tagessätzen a 30 Euro, summa summarum zu einer Geldstrafe von 2400 Euro.

Jetzt sitzen also der Monaco Franze und der Helmut Dietl einträchtig nebeneinander in Bronze gegossen an der Münchner Freiheit. Der Dietl lupft mit dem Fuß den Cafétisch vom Monaco an, sodass dessen Eisbecher ins Rutschen gerät. Ein Coup von Nicolai Tregor, dem Erschaffer der beiden Skulpturen, denn der Monaco, alias Helmut Fischer, starb bereits 1997 und man fragte sich immer, warum bei seiner Skulptur im Café an der Münchner Freiheit das Tischbein in die Luft ragte. Erst vergangenes Jahr nahm Dietl neben ihm Platz.

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Dieses Verspielte, sagt der Künstler nun als Angeklagter vor Gericht, habe sich auch in der Freundschaft zu Milan T. widergespiegelt, "wir haben uns gegenseitig verarscht". Damit will Nicolai Tregor die Sprachnachrichten erklären, die zwischen ihnen hin und her gingen. "Wie viel Bier willst du trinken", fragt da Milan T. Und Tregor antwortet, im letzten Bier sei "zu wenig" drin gewesen. Das könne schon sein, meint T., "weil ich keine Waage zur Hand hatte".

"Die haben alles schwarz auf weiß, was soll ich sagen"

Milan T. ist mittlerweile verurteilt, und ein Drogenfahnder sagt vor Gericht aus, dass nach den Gepflogenheiten des Dealers mit einem Bier ein Gramm Kokain gemeint war. Die Chats im Handy des Dealers führten auch zu Tregor, und als die Polizei bei ihm zur Hausdurchsuchung um 6 Uhr früh erschien, empfing er sie mit den Worten: "Ich kann kein Kokain anbieten, weil ich momentan nichts da habe." Das sei alles nur Spaß gewesen, versichert der Künstler. Und sein Anwalt Walter Kalthoff glaubt, dass sein Mandant halt Pech habe. "Er ist der letzte Schwabinger in München", und das mit den Drogen werde "bei einem Künstler immer gerne vermutet". Tregor schickt noch hinterher, dass er "nie" von T. Drogen bekommen habe.

"Ich hab ihm damals schon was gegeben", räumt der Dealer im Zeugenstand ein. Und als Tregor aufstöhnt, sagt Milan T.: "Die haben alles schwarz auf weiß, was soll ich sagen." Ja, sagt er auch, Bier bedeute Kokain. Aber es habe durchaus auch andere Chatnachrichten gegeben, die lustig gemeint waren. Ob weitere Nachrichten, in denen es um "zwei Eimer" ging, auch mit Kokain in Verbindung gebracht werden könnten, daran kann oder will sich T. nicht erinnern. Und zu Tregor sagt er: "Ist schon passiert, was erwartest du, bleib cool, Mann."

Tregor, der unter anderem auch Büsten von Sophie Scholl, Franz Josef Strauß und Rolf Bossi schuf, lernte T. über einen Freund kennen. Damals, 2020, habe er für eine Fernsehsendung ein aufwendiges Video vorbereitet, und Milan T. habe ihn geduldig gefilmt.

Der Verteidiger fordert Freispruch, in die Sprachnachrichten werde "etwas reininterpretiert". Doch die Richterin folgt dem Staatsanwalt und verurteilt eine Kaufhandlung. Dass die Nachrichten nur Spaß gewesen seien, "das glaube ich Ihnen nicht", sagt sie. Anwalt Kalthoff kündigte noch im Gerichtssaal an, in Berufung zu gehen.

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