Neuer Gerichtssaal in Stadelheim:Richter kommen ins Gefängnis

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Hohe Sicherheit, ausreichend Platz - so soll der Gerichtssaal in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim aussehen. (Foto: Michael Dalder)

Auf dem Gelände der JVA Stadelheim soll ein Saal für Prozesse der höchsten Sicherheitsstufe gebaut werden. Anwohner kritisieren den geplanten Zugang und befürchten Baulärm und Demonstrationen.

Von Hubert Grundner

Verbrechen sind oft mit Banalitäten verbunden an: Je mehr Halteverbotsschilder rund um das Strafjustizzentrum (SJZ) an der Nymphenburger Straße stehen, umso schlimmer die Untaten, über die dort gerichtet wird. Als am 6. Mai der Staatsschutzsenat unter Richter Manfred Götzl erstmals zusammentrat, um über Beate Zschäpe und weitere vier mutmaßliche Unterstützer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" zu richten, hatte die Stadtverwaltung rund 600 Halteverbotsschilder aufstellen lassen.

Rund um das Gerichtsgebäude ist das Parken verboten, dazu in der näheren Umgebung - Erzgießerei-, Linprun-, Sand- und Nymphenburger Straße. Worunter vor allem die Anwohner zu leiden haben, die oft nicht mehr wissen, wo sie ihr Auto abstellen sollen. Zudem klagen Geschäftsleute über ausbleibende Kundschaft.

Die Angeklagten müssen zudem an jedem Verhandlungstag aus der Untersuchungshaft im Gefängnis an der Stadelheimer Straße in Obergiesing zum SJZ hin- und zurücktransportiert werden, eskortiert von Sicherheitskräften und Polizeifahrzeugen mit Blaulicht, Straßen und Radwege an der Strecke werden zeitweilig gesperrt - ein wiederkehrender Ausnahmezustand, voraussichtlich für zwei bis zweieinhalb Jahre.

Unsichtbarer Gerichtssaal

Damit soll in absehbarer Zeit weitgehend Schluss sein: Bayerns Justiz favorisiert in Übereinstimmung mit der Landeshauptstadt München und der Polizei seit längerem die Errichtung eines Sitzungssaalgebäudes für Verfahren mit höchster Sicherheitsstufe auf dem Gelände der JVA Stadelheim. Vertreter der Regierung von Oberbayern und des Justizministeriums haben Anfang Juli den Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten darüber informiert. Zuvor hatten schon Anwohner im Zuge des bauordnungsrechtlichen Verfahrens Post in ihren Briefkästen gefunden.

Demnach wird der geplante Gerichtssaal im südwestlichen Eck des JVA-Geländes platziert. Dabei wird eines von zwei Geschossen etwa 4,5 Meter in der Erde versenkt, während das andere ungefähr vier Meter darüber hinausragt. Von jenseits der sechs Meter hohen Gefängnismauer wird der Saal somit nicht zu sehen sein. Da aber Gerichtsverhandlungen öffentlich geführt werden müssen, sollen Prozess-Besucher den Saal über ein ebenfalls noch zu bauendes Eingangsgebäude an der Stettnerstraße erreichen können. Von hier gelangen sie über eine Treppe in den unterirdisch gelegenen Kontrollbereich samt Schleuse in und die Warteräume für Zeugen und Zuschauer. Ein Gang führt zum Gerichtssaal auf dem Gefängnisgelände.

Nach Auskunft der Regierung von Oberbayern, sie vertritt den Staat als Bauherren, belaufen sich die Gesamtkosten des Projekts auf 12,4 Millionen Euro. Die Baumaßnahme werde voraussichtlich von Frühjahr 2014 bis Ende 2015 realisiert.

Infrastruktur ist vorhanden

Der Vorteil dieser Lösung ist aus Sicht des bayerischen Justizministeriums, dass die Infrastruktur für Sicherheit bereits vorhanden ist und die aufwendigen und oft mit Risiken behafteten Gefangenentransporte entfallen können. "Der Gefangenentransport beschränkt sich dann auf den Weg von der Vorführzelle in den Gerichtssaal", sagt Hannes Hedke, Regierungsdirektor und stellvertretender Pressesprecher im Ministerium.

Zugleich versucht Hedke mögliche Bedenken der Anwohner zu zerstreuen: In Stadelheim sollen nur Verfahren mit sicherheitsproblematischem Hintergrund stattfinden - Staatsschutzsachen, organisierte Kriminalität, Terrorismus. Mit wie vielen Verhandlungstagen zu rechnen sei, lasse sich kaum prognostizieren. "Der derzeit stattfindende NSU-Prozess würde wegen seiner Sicherheitsrelevanz zwar zukünftig möglicherweise in Stadelheim stattfinden, kann aber nicht als Beispiel herangezogen werden, was auf die Anwohner möglicherweise zukommt", sagt Hedke.

Der Pressesprecher glaubt auch nicht, dass in Stadelheim besonders viele Demonstrationen stattfinden werden. Man müsse sich vor Augen halten, dass Demonstranten sich in der Regel einen "attraktiven" Platz wie zum Beispiel den Stachus in der Nähe des Justizpalastes oder den Marienplatz für ihre Kundgebungen aussuchen.

Trotzdem will auch Hedke nicht leugnen, dass es noch Gesprächsbedarf mit den Nachbarn der JVA gibt. Diese kritisieren vor allem, dass das Zugangsgebäude in der Stettnerstraße geplant ist statt an dem bereits bestehenden Zugang an der Stadelheimer Straße. Darüber und über die erwarteten Belastungen durch Verkehr und Baustelle wird zu reden sein. Im September findet deshalb eine Informationsveranstaltung mit den Anwohnern statt, der genaue Termin steht noch nicht fest.

© SZ vom 22.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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