Neuaubing/Westkreuz:Wer recht hat, soll Recht bekommen

Lesezeit: 2 min

Hilfe im Paragrafendschungel: Maria Stalinski und Patrick Siskov vom Quartiersteam (beim Schild) beraten Verbraucher wohnortnah. Das Projekt, gestartet zu Jahresanfang, wird bis 2023 in Aubing erprobt. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das bundesweite Projekt "Verbraucher stärken im Quartier" wird auch im Münchner Westen erprobt. Die beiden Mitarbeiter beraten nicht nur in ihrem Büro, sondern gehen - wo möglich - auf Menschen zu

Von Ellen Draxel, Neuaubing/Westkreuz

Ärger mit Handyverträgen, Probleme bei Abrechnungen mit dem Energieversorger, Unklarheiten bei Mietverträgen - im alltäglichen Dschungel komplexer Verbraucherfragen ist fast jeder schon einmal versunken. Oft quält man sich selbst durch Paragrafen und Papierkram auf der Suche nach einer Lösung. Besonders schwer tut sich zudem, wer die Sprache nicht so gut spricht, wer sich in rechtlichen Fragen kaum auskennt und vielleicht aus einem anderen Kulturkreis stammt. Zwar gibt es am Goetheplatz eine Verbraucherzentrale, die Bürgern für derlei Themen zur Seite steht. Doch für viele ist die Wegstrecke zur innerstädtischen Beratungsstelle eine Herausforderung.

Bei der Verbraucherzentrale weiß man um diese Barrieren - und hat deshalb das bundesweite Projekt "Verbraucher stärken im Quartier" entwickelt. Es wird mit 16,3 Millionen Euro vom Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium gemeinsam finanziert. In Bayern sind die Münchner Stadtteile Aubing, Neuaubing und Westkreuz die ersten, die seit einem Jahr von dem neuen Konzept profitieren.

"Eine unserer Hauptaufgaben ist die aufsuchende Quartiersarbeit", sagt Maria Stalinski. Die Projektkoordinatorin ist gemeinsam mit Patrick Siskov Ansprechpartnerin der neuen Verbraucherzentrale vor Ort. Seit Anfang des Jahres sind die beiden immer montags von 14 bis 17 Uhr im Stadtteilladen an der Friedrichshafener Straße 11 anzutreffen, ohne Anmeldung, ohne Termin. Wer zu ihnen kommt, wird informiert und beraten, erhält Unterstützung bei Verträgen oder bekommt Hilfe beim Briefeschreiben. "Wir geben beispielsweise Tipps, wie man Handyverträge wechselt, oder sensibilisieren junge Erwachsene, worauf sie achten müssen, wenn sie zum ersten Mal eine Wohnung beziehen", erklärt Siskov. Bei älteren Menschen können Verkaufsstrategien bei Kaffeefahrten zur Sprache kommen - oder auch Hilfestellungen rund um Kauf- oder Dienstleistungsverträge. Von Verkaufsfallen im Internet und in sozialen Netzwerken über die Lösungssuche bei Geld- und Kreditproblemen bis hin zu aufklärenden Gesprächen zum Wechseln des Energieversorgers - die Bandbreite an Themen ist breit gefächert.

Stalinski und Siskov gehen bewusst auf die Menschen zu. Noch vor der Corona-Pandemie etwa besuchten sie das "Internationale Frühstück" im Bildungslokal, um den Frauen dort in einem anschaulichen Rollenspiel "Irrtümer im Supermarkt" vor Augen zu führen. Im Sommer gestalteten sie das Ferienprogramm "Little West" für Kinder mit, etwa mit "Einkaufen mit dem Taschengeld". Zudem gab es ein Familienpicknick, "Online-Plauderstunden" mit Bürgern und Kooperationspartnern, Infokanäle auf Telegram, Facebook und Instagram und jeden zweiten Donnerstag im Monat Sprechstunden. Bereits geplant sind Bildungseinheiten beim Frauenfrühstück in der Aubinger Tenne von 24. November an sowie ein "Weihnachts-Get-Together" am Westkreuz. Bei all diesen Gelegenheiten geht es darum, präventiv zu informieren, Hemmschwellen abzubauen und frühzeitige Unterstützung zu ermöglichen.

"Uns ist es wichtig, dass, wer recht hat, auch zu seinem Recht kommt", begründete denn auch Justiz- und Verbraucherschutz-Staatssekretärin Rita Hagl-Kehl (SPD) bei der coronabedingt verspäteten offiziellen Auftaktveranstaltung des Projekts am Freitag die Anschubfinanzierung des Bundes. Es gehe darum, möglichst viele Menschen zu schützen, etwa vor Betrügern, die derzeit Corona-Schnelltests anbieten. Oder vor überteuerten Verträgen. "Da kann die Verbraucherzentrale dann informieren, dass solche Verträge widerrufen werden können." Das Quartiersprojekt läuft noch bis 2023.

© SZ vom 24.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: