Neuaubing/Westkreuz:Notfall Versorgung

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Der bereits eklatante Mangel an Hausärzten im Westen verschärft sich noch einmal, da ein Mediziner nicht mehr in das neue Paul-Ottmann-Zentrum zurückkehrt. Stattdessen verlegt er seine Praxis nach Laim

Von Ellen Draxel, Westkreuz

Im Paul-Ottmann-Zentrum wechseln die Ärzte. Einen Haus- und einen Kinderarzt suchen Patienten künftig vergebens an der Ecke Mainau-/Radolfzeller Straße. Allgemein- und Arbeitsmediziner Tobias Weber ist vor kurzem nach Laim umgezogen, am 1. Juli hat er an der Fürstenrieder Straße 84 seine neue Praxis eröffnet. Und Kinder- und Jugendärztin Sylvia Döpfer mietete schon vor einigen Monaten Räumlichkeiten an der Leienfelsstraße 2, bevor sie in den Ruhestand ging und ihrem Nachfolger Florian Bauer ihre Praxis überließ. Damit verschärft sich der bereits eklatante Mangel an Hausärzten in Neuaubing und dem Westkreuz weiter.

Hintergrund dieser Entwicklung sind Neubauarbeiten und Mietpreis-Differenzen. Das alte Paul-Ottmann-Zentrum, pulsierender Mittelpunkt der Westkreuz-Siedlung, wurde vor zwei Jahren abgerissen, um moderner, offener und grüner neu zu entstehen. Einige der damaligen Bestandsmieter - neben der Stadtsparkasse, einigen Läden und der Apotheke waren das auch die Ärzte - konnten noch vor dem eigentlichen Abbruch in einen benachbarten Neubau wechseln. Interimsweise, bis der Gesamtkomplex fertiggestellt sein sollte. 1,2 Millionen Euro ließ sich der Bauherr, die Firma SBI GmbH und Müller Beteiligung-Aubing GmbH & Co. KG, diesen Umzug in das spätere Wohnhaus kosten, um die Nahversorgung der etwa 42 000 Menschen, die rund um das Zentrum wohnen, während der Bauphase aufrechtzuerhalten.

Bis vor einem halben Jahr, heißt es aus der Praxis von Doktor Weber, sei man auch davon ausgegangen, in dem Zentrum letztlich wieder unterzukommen. Doch dann habe der Bauherr die Hausarztpraxis "nicht mehr eingeplant". Stattdessen solle auf den Flächen der Hausarzt- und der Kinderarztpraxis nun ein orthopädisches Zentrum entstehen. Außerdem, so die Kritik, seien die Quadratmeterpreise "zu hoch" veranschlagt gewesen, "die hätten wir nicht bezahlen können". Was das in konkreten Zahlen heißt, bleibt offen. "Wir haben sehr günstig vermietet", sagt hingegen Bauherr Roman Müller. Konkrete Summen nennt auch er nicht, betont aber, dass er "den Allgemeinarzt sehr gerne übersiedelt hätte". Doch "trotz mehrerer Gespräche und Angebote hat das leider nicht geklappt". Schließlich könne er finanziell nicht drauflegen. Dass eine orthopädische Praxis den Zuschlag bekommen hat, bestätigt Müller. Zu finden sind dort künftig außerdem noch eine Zahnärztin, eine Apotheke und die kieferorthopädische Praxis von Michael Uecker. "Damit", so Müller, "sind wir vollvermietet, wir haben keine Flächen mehr frei".

Michael Uecker ist schon seit mehr als zehn Jahren Mieter an dem Standort, und "natürlich", sagt Simone Uecker auf Nachfrage, seien die Mietpreise mit dem Neubau gestiegen. Aber in einem Umfang, der "normal" sei für München. "In Freiham", relativiert sie, "sind die Preise nochmal um 30 Prozent teurer als im neugebauten Paul-Ottmann-Zentrum". Die kieferorthopädische Praxis bekomme auf jeden Fall "eine schöne neue Fläche, und wir freuen uns darauf". Voraussichtlich im August, meint sie - und damit lehnt sie sich mehr aus dem Fenster als Roman Müller, der kein Datum nennen will -, könne man dort einziehen.

Für Webers Patienten aber ist die neue Situation wenig charmant. "Statt einmal über die Straße muss ich künftig eine halbe Stunde mit dem Bus fahren", ärgert sich ein Westkreuz-Bewohner. Und den Arzt zu wechseln ist ebenfalls schwierig, die noch verbliebenen Hausärzte im Stadtbezirk Aubing-Lochhausen-Langwied sind allesamt überlastet.

Nachdrücklich verbessern würde sich die Situation nur, veränderte die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) ihre Regularien. Denn wo sich Mediziner niederlassen können, hängt von der Bedarfsplanung der KVB ab - und München gilt als mit Kinderärzten gut und mit Hausärzten überversorgte Stadt, bekommt also keine Neuzulassungen mehr. Dass die meisten Ärzte im Zentrum sitzen und dafür in den Randbezirken fehlen, interessiert bislang nicht.

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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