Neuaubing/Westkreuz:Animieren und vernetzen

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Kultur-Streetworkerin Stefanie Junggunst mit ihrer Ausrüstung: Der Anhänger, bestückt mit Flyern, fungiert als mobiler Infotisch. (Foto: Florian Peljak)

Stefanie Junggunst ist Bayerns erste Kultur-Streetworkerin. Sie versteht sich als Unterstützerin und Beraterin. Am Freitag wird der Modellprojekt-Start gefeiert

Von Ellen Draxel, Neuaubing/Westkreuz

Ihren Fahrradanhänger hat Stefanie Junggunst erst gestern geholt. Mit ihm ist die 49-Jährige von nun an im Stadtteil unterwegs, kontaktiert Vereine, Institutionen und Künstler, besucht Veranstaltungen und redet mit Leuten auf der Straße. Der Anhänger, bestückt mit Flyern, fungiert als mobiler Infotisch.

Junggunst ist Bayerns erste Kultur-Streetworkerin. Ihr Job ist es, mehr Menschen in Neuaubing und dem Westkreuz für Kultur zu gewinnen - sei es als Akteure, als Kooperationspartner oder als Publikum. Dabei ist es nicht ihr Ziel, die Ideen selbst vorzugeben. Sie will Unterstützerin sein, Beraterin: Jemand, der animiert und vernetzt und bei der Konzeption, Planung und Durchführung einer Kulturveranstaltung hilft.

Die halbe Stelle, die das Kulturreferat für dieses auf drei Jahre befristete und über Städtebaufördermittel finanzierte Modellprojekt ausgeschrieben hat, ist wie auf Junggunst zugeschnitten. Denn die studierte Geografin leitet seit 2012 unter der Trägerschaft des Vereins für Sozialarbeit den Nachbarschaftstreff Blumenau, hat also Erfahrung im Teamwork und in der Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen. "Über die kulturelle Schiene lassen sich nachbarschaftliche Kontakte wunderbar intensivieren", weiß die Kultur-Streetworkerin. Ein Ereignis in der Blumenau ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: Das Dominostein-Projekt unter dem Motto "Gemeinsam etwas bewegen" anlässlich der 950-Jahr-Feier Haderns. Damals gestalteten Bürger Ziegelsteine, die als Dominostrecke aufgebaut, umgestoßen und schließlich im Stadtteil verbaut wurden. "Da konnte man viele Leute dafür begeistern. Und es schaffte Begegnungen." In Neuaubing und dem Westkreuz will Junggunst ebenfalls "viel draußen passieren lassen". Am besten seien niederschwellige und kostenfreie Angebote, sagt die Kultur-Helferin. Sie steht, sollte jemand mit einer Idee auf sie zukommen, als Profi auf der Suche nach Kooperationspartnern oder Spielorten zur Seite und unterstützt bei der Beantragung von Fördermitteln und dem Gang durch die Ämter.

"Kulturelle Teilhabe", erläutert Kulturreferent Anton Biebl die Initiative zu dem Projekt, sei auch eine Frage von Gerechtigkeit. "Darum müssen wir Herangehensweisen entwickeln und erproben, die es leicht machen, Teil des Kultur-Geschehens zu werden." Kultur-Streetwork sei ein Ansatz, der insbesondere unterrepräsentierte Zielgruppen im Blick habe. Wo schriftliche Kommunikation scheitere, spreche Kultur-Streetwork die Menschen persönlich an. "Es geht um Ermächtigung und Aneignung der kulturellen Möglichkeiten unserer Stadt. In diesem Sinne ist Kultur-Streetwork durch und durch demokratiefördernde und nachhaltige Kulturarbeit."

Junggunst redet deshalb auch viel mit sozialen Einrichtungen. "Wir wollen, dass Menschen, die kulturell sonst nicht so aktiv sind, Jugendliche und Migranten zum Beispiel, ebenfalls ins Boot geholt werden." Die Resonanz auf das neue Modellprojekt sei äußerst positiv, sagt Junggunst. Sie ist schon seit Juli in Neuaubing und dem Westkreuz unterwegs - ohne Fahrradanhänger - und durfte erfahren, wie "begeistert und sehr aufgeschlossen" die Menschen reagieren. Sie weiß nun, wo Engagement gebraucht wird, dass die Theatergruppe St. Quirin Nachwuchs sucht und die Musikerin Joana Xander einen Kinderchor gründen möchte. Und auch ihre Idee eines von Bürgern gemeinsam gestaltetes Kunstwerk im Grünzug L zwischen Neuaubing und dem Westkreuz fänden die Leute gut, sagt Junggunst. Allerdings müsse sie dazu noch mit den Künstlern im Stadtteil reden.

Am Freitag, 8. November, wird erst einmal der Start des Modellprojekts Kultur-Streetwork im Forum Westkreuz an der Friedrichshafener Straße gefeiert. Um 18 Uhr lädt die A-cappella-Band Kussinen mit Liedern aus dem Viertel zum Mitsingen ein. Bis Weihnachten soll es alle zwei Wochen Kulturevents bei freiem Eintritt im Stadtteil geben: Volksmusik zum Mittanzen am 22. November im Ladenzentrum an der Wiesentfelser Straße 68, ein Poetry Slam am 6. Dezember beim Bücherschrank am Giglbrunnen an der Altostraße und Adventsmusik zum Mitsingen am 20. Dezember an der Ecke Limes-/Wiesentfelser Straße.

Stefanie Junggunst ist unter 01523/ 8970956 oder freitags zwischen 16 und 17 Uhr im Stadtteilladen an der Friedrichshafener Straße 11 erreichbar.

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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