Neuaubing:Blindgänger und Bunker

Lesezeit: 2 min

Anwohner der ehemaligen Dornier-Werke in Neuaubing müssen befürchten, dass der Boden unter dem Baumhain, der ihnen bislang als Lärmschutzwall diente, mit Kampfstoffen und anderen Kriegsrückständen durchsetzt ist

Von Ellen Draxel, Neuaubing

Wenn Christine Jarius aus ihrem Fenster in Richtung Garten blickt, schaut sie auf eine stattliche grüne Kulisse. Etwa 175 Bäume unterschiedlichen Stammumfangs ragen dort auf einem aufgeschütteten Wall in den Himmel. Der Wall stammt noch aus der Zeit der Dornier-Werke, das Nachbargelände war bis vor 25 Jahren Standort für den Flugzeugbau. Jetzt soll auf dem 6,5 Hektar großen ehemaligen Produktionsareal zwischen Trimburg-, Vogler-, Leisaustraße und Am Gleisdreieck eine Neubausiedlung mit 380 Wohnungen für etwa 900 Menschen entstehen, Kindertagesstätte und Parkhaus für Gewerbetreibende inklusive.

Der Baumwall dient Jarius und ihren Nachbarn dabei als Lärm- und Sichtschutz. Die Anlieger der Leisaustraße sind einiges gewohnt, ihre Häuser liegen südlich des Sirius-Business-Parks, mehr als hundert Dezibel hat ein Gutachten ihrem Wohnumfeld schon mal bescheinigt. Ohne die Baumkulisse aber kämen das Parkhaus und die Baustelle des Neubaugebiets ins Sichtfeld. "Wir wollen deshalb unbedingt, dass die Bäume erhalten bleiben", sagt die Neuaubingerin. Sicher allerdings ist das bislang nicht. Denn die Gehölze gehören zu einer öffentlichen Grünfläche, die künftig zwischen der neuen Siedlung und dem Bestand verlaufen soll. Die Stadt haftet für die Sicherheit in diesem Bereich, doch bis jetzt ist unklar, ob der Boden eventuell mit Schad- oder Kampfstoffen kontaminiert sein könnte.

Die Auswertung von Luftbildern aus dem Jahr 1945 dokumentiert jedenfalls Kriegseinwirkungen in Form von Bomben und Artilleriefeuer im gesamten Untersuchungsbereich. "Zumindest besteht der Verdacht auf blindgegangene Abwurfmunition", erklärte Nicole Heiß vom Planungsreferat Anliegern und Aubinger Lokalpolitikern bei der jüngsten Sitzung des Unterausschusses Planen, Bauen, Umwelt.

Der Projektentwickler, die Firma HI Wohnbau, muss nun, bevor sie das Gelände der Stadt übergibt, auch diese Zone überprüfen. Das restliche Baugebiet, weiß Geschäftsführer Mario Schmölz, ist kampfmittelfrei. "Wir haben Ziegelbruch, Metallreste, Bauschutt und verrustes Material gefunden. Und eine Colaflasche aus dem Jahr 1945. Aber sonst nichts." Geplant ist jetzt im Einvernehmen mit dem Bund Naturschutz und dem Landesbund für Vogelschutz, zwei sogenannte Schürfe anzulegen, also den Baumwall an zwei Stellen bis auf den Grund durchzuschneiden. Sieben laut Heiß ohnehin nicht mehr vitale Bäume sollen dafür noch diesen Herbst weichen, die Fällgenehmigungen liegen bereits vor. Zu untersuchen sind dabei vor allem mögliche Inhalte in den Splitterschutzgräben, die den Wall durchziehen. "Sind diese Gräben hohl und nicht mit Schadstoffen belastet, kann der Baumwall stehen bleiben", so die Stadtplanerin.

Eine vor allem für das Ehepaar Jarius wichtige Sache ist damit aber noch nicht geklärt: Was passiert mit dem Bunker, der direkt an der Ecke des Walls nur drei Meter von ihrem Haus entfernt im Boden vergraben ist? Die Anlieger wissen seit 50 Jahren, dass er existiert, einige ihrer Kinder haben dort schon gespielt. Der Stadtverwaltung allerdings ist die Existenz dieses zwölf mal 23 Meter breiten und stolze sieben Meter tiefen Bunkers erst seit wenigen Monaten bekannt. "Wir haben Angst um unser Haus, sollte dem Bunker zu Leibe gerückt werden", sagt Christine Jarius. Schon jetzt weist das Haus an der Leisaustraße kleine Risse von Arbeiten mit dem hydraulischen Bohrhammer auf. Dass die städtischen Planer bis vor kurzem nichts von dem Bunker wissen, findet Jarius "blamabel".

Was geschieht mit dem Weltkriegsbunker? Die Anwohner wissen seit Jahrzehnten von seiner Existenz, die Stadt erst seit wenigen Monaten. (Foto: Florian Peljak)

Bauingenieur Schmölz schlägt vor, den Bunker einfach zu verfüllen und den Wall zu belassen. Eine Variante, die auch den Anliegern "am liebsten" wäre. Ob diese Lösung realisierbar ist, wird sich allerdings erst Ende Oktober herausstellen. Dann trifft sich Heiß mit Kollegen aus dem Baureferat, um die Wegeführung zum Neubauquartier zu klären. Denn der Bunker liegt nicht nur unter einem geplanten Fuß- und Radweg. Er tangiert auch eine Feuerwehrzufahrt.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: