Stadtverwaltung:Die neue Jugendamtschefin tritt ihren Dienst an

Lesezeit: 4 min

Münchens neue Jugendamtsleiterin Esther Maffei am Donnerstag im Rathaus. Gerade hat sie ihren Arbeitsvertrag unterschrieben. Von nun an wird sie eine Behörde mit 1200 Mitarbeitern leiten. (Foto: Robert Haas)

Die Psychologin Esther Maffei stammt aus dem beschaulichen Südtirol - in München leitet sie nun eine Behörde mit 1200 Mitarbeitern.

Von Dominik Hutter

Das Hoppla-hopp-Prinzip ist nichts für sie. Wenn Esther Maffei an diesem Dienstag ihr Chefbüro im Jugendamt bezieht, will sie erst einmal ganz viel zuhören. Intensive Gespräche mit den Mitarbeitern führen, die Strukturen analysieren, Probleme abfragen. "Es ist wichtig, alle Fakten zu kennen", sagt die 45-jährige Südtirolerin. Erst dann könne man eigene Konzepte entwickeln. "Organisatorisch an der einen oder anderen Schraube drehen." Maffei geht deshalb bewusst ohne vorgefertigten Aktionsplan an ihre neue Aufgabe heran. "Ich glaube an Inhalte, an Fakten, an den systemischen Ansatz", sagt sie.

Was zunächst ein wenig langweilig klingt. Systemisch bedeutet aber: Bevor man irgendwelche Aktionen anpackt, sollte man alle Hintergründe kennen. So wie damals bei jenem jungen Mann mit geistiger Behinderung, der immer wieder aus seiner Einrichtung weggelaufen ist. Erst als nach einer gründlichen Analyse klar wurde, dass dies nur deshalb geschah, weil die Mutter ihren Sohn als ausgleichenden Faktor zu Hause brauchte, konnten die richtigen Konsequenzen gezogen werden, erzählt Maffei. Man sprach mit beiden Seiten und versicherte schließlich dem Jungen: Wir kümmern uns um deine Mutter.

Rathaus München
:Die neue Kühle im Sozialreferat

Dorothee Schiwy räumt auf im Münchner Sozialreferat. Ihre Vision ist eine geordnete Verwaltung - die Sozialpolitik überlässt sie anderen.

Von Sven Loerzer

Maffei bezeichnet die Jugendarbeit als Herzensangelegenheit - und hat sich deshalb "ganz unbedarft beworben", wie sie es ausdrückt. Beim Münchner Jugendamt, dessen Chefposition seit mehr als zwei Jahren vakant war - so lange war Maffeis Vorgängerin Maria Kurz-Adam krankgeschrieben. Ob Maffei klar war, für welches Wespennest sie sich da entschieden hat? Für die Position hatte sich, sozusagen als Platzhirsch, auch der SPD-Stadtrat Christian Müller beworben, der aber ebenso wie die anderen Interessenten in der Bewerbungsrunde im Personalreferat durchfiel.

Maffei blieb als einzige im Rennen - was wiederum den Stadtrat erboste, der bei nur einer Kandidatin keinen Entscheidungsspielraum mehr für sich sah. Es gab Forderungen nach einer Neuausschreibung, Zweifel an Maffeis Eignung machten die Runde, weil die studierte Psychologin daheim in Südtirol nur eine vergleichsweise kleine Behörde auf dem Land geleitet hatte. Das Münchner Jugendamt hat hingegen 1200 Mitarbeiter und unterstützt rund 10 000 Kinder und Jugendliche. Im Stadtrats-Verhör schlug sich Maffei dann wacker - und bekam den Job.

Die Mutter zweier Teenie-Kinder fühlt sich für ihre neue Aufgabe bestens vorbereitet. Sie habe "alles schon gemacht, nur nicht in dieser Dimension". Maffei war nach ihrem Psychologiestudium in Innsbruck schon einmal in München: Von 1999 bis 2005 absolvierte sie berufsbegleitend eine Psychotherapie-Ausbildung für Kinder und Jugendliche. Und entdeckte dabei ihre Liebe zu der Stadt an der Isar. Sie entschied: Wenn es von der Lebensplanung her möglich ist, dann auf nach München.

Intensive Kontakte zu den Sozialbürgerhäusern

Zunächst aber übernahm sie in Südtirol die Leitung einer Behinderteneinrichtung, zu der Wohnheime, Wohngemeinschaften, Werkstätten und Tagesstätten gehören. 2010 wurde sie Chefin eines Sozialsprengels aus fünf Gemeinden mit Sitz in Eppan, "einer Art Sozialbürgerhaus", wie sie es nennt. Zu dessen Aufgaben zählt auch die sogenannte sozialpädagogische Grundbetreuung, was einem deutschen Jugendamt sehr nahe kommt.

Auch in München will sie intensive Kontakte zu den Sozialbürgerhäusern pflegen. Institutionen, die sie für vorbildlich hält. Wie auch das Münchner Engagement, als im Jahr 2015 die große Flüchtlingswelle kam. "Das hätte keine andere Stadt so hingekriegt", davon ist Maffei überzeugt. In ihrer Südtiroler Behörde hätten sie damals voller Bewunderung gen München geschaut, das den Andrang erstaunlich gut gemeistert habe.

Allerdings entstand im Jugendamt ein Problem, das nun auch Maffei noch beschäftigen wird: Die Schlampereien bei der Abrechnung der Kosten für die Betreuung jugendlicher Flüchtlinge. 245 Millionen Euro drohten der Stadt zwischenzeitlich zu entgehen - weil sie bei den zuständigen Kostenträgern schlicht nicht eingetrieben worden waren. Die Ausstände trugen maßgeblich dazu bei, dass die unter Beschuss geratene Sozialreferentin Brigitte Meier den Rückzug antreten musste.

Für Maffei sind diese Querelen Vergangenheit. Auch wenn sie sie natürlich mitbekommen hat: Die Sozialexpertin ist bereits 2016 nach München gezogen. Weil es plötzlich von der Lebensplanung her möglich wurde: Ein Kinderheim in Putzbrunn hatte eine Leiterin für den psychologischen Fachdienst gesucht.

München
:Möglicher Millionenschaden: Jugendamt pfuschte bei Verträgen zur Flüchtlingsbetreuung

Das städtische Revisionsamt hat nun die Vereinbarungen als unwirksam eingestuft. Dem damaligen Jugendamtschef drohen rechtliche Konsequenzen.

Von Thomas Anlauf

In ihrer Freizeit kann Maffei wohl erst einmal nicht mehr ganz so hoch hinaus: Denn mit den Südtiroler Gipfeln können die bayerischen Alpen nicht wirklich mithalten. Die neue Jugendamtschefin liebt Hochtouren, das schönste Erlebnis war der Marsch auf den 3900 Meter hohen Ortler. Allerdings steht auch ganz normales Wandern auf der privaten Agenda Maffeis, ebenso wie Radfahren. "Ich bin ein großer Isarfan", schwärmt sie. Immer wieder kocht sie auch gemeinsam mit der Familie und mit Freunden.

Die wenig ermutigenden Erfahrungen rund um die eigene Bewerbung will Maffei möglichst nicht an den neuen Arbeitsplatz mitschleppen. "Ich fühle mich nicht vorbelastet", sagt sie. Obwohl es nicht gerade nett war, was zeitweise im Rathaus und bei den Sozialverbänden über die Bewerberin aus Südtirol kursierte.

Personalreferent Alexander Dietrich (CSU), in dessen Haus die erste Auswahlrunde stattfand, hatte sich sogar bemüßigt gefühlt, für die Neue in die Bresche zu springen. Sie verfüge über "mehrjährige einschlägige Berufserfahrung und langjährige Führungserfahrungen in großen Organisationen", hatte er vor der entscheidenden Stadtratssitzung versichert. Wäre dies nicht so gewesen, hätte sie gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch geladen werden dürfen, so der Personalreferent.

Das Wohl der Kinder und Jugendlichen im Fokus

Eine Umstellung wird die neue Aufgabe zweifellos bedeuten, davon ist Maffei überzeugt. Alles sei ein paar Nummern größer als im Sozialsprengel in Eppan, der immerhin auch fast 400 Mitarbeiter hatte. In München gebe es nun einmal deutlich mehr Akteure und eine andere, großstädtische Sozialstruktur. Aber eben auch eine "reiche Sozialkultur", auf die man bauen könne. Im Mittelpunkt stehe immer das Wohl der Kinder und Jugendlichen, betont sie.

Das Münchner Jugendamt, das größte Amt unter dem Dach des Sozialreferats, kann ein wenig Kontinuität vermutlich gut gebrauchen. Denn die Stadt tat sich lange schwer damit, eine Nachfolge für Kurz-Adam zu installieren - das Beamtengesetz verhinderte eine schnelle Lösung. Auch der kommissarische Leiter, Markus Schön, stolperte zwischenzeitlich über eigenmächtig abgeschlossene Verträge.

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: