Nachruf:Münchens Älteste ist mit fast 110 Jahren gestorben

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Ilse von Guttenberg wäre am 16. Januar 110 Jahre alt geworden. (Foto: Catherina Hess)

Bis zu ihrem 102. Lebensjahr flog Ilse Edle von Guttenberg noch jeden Winter nach Sri Lanka, erst ein Jahr später war sie ins Seniorenheim gezogen.

Sie hat in ihrem Leben viele runde Geburtstage erlebt. Der nächste wäre am 16. Januar angestanden. Ilse Edle von Guttenberg wäre dann 110 Jahre alt geworden. Ja, einhundertundzehn.

Als Ilse von Guttenberg 1909 in Wien geboren wurde, hatte in den USA Theodore Roosevelt das Sagen, als 26. Präsident des Landes. Im spanisch-amerikanischen Krieg hatte Roosevelt sein Amt als stellvertretender Marineminister niedergelegt, um ein Kavallerieregiment aufzustellen, das er als Oberst dann kommandiert und mit Wagemut und Entschlossenheit zu einigem militärischem Ruhm geführt hatte. Inzwischen ist die US-Präsidentenreihe bei Nummer 45 angekommen, beim Immobilienunternehmer und Entertainer Donald Trump.

In all den Jahren ist viel passiert. In all den Jahren hat sich viel verändert. Und Ilse von Guttenberg hat viel davon erlebt. Nicht auf Twitter, Instagram und Youtube, den Kanälen, über die heute viele Zeitgeschichtssplitter wehen, sondern unmittelbar. Als sie sieben Jahre alt war, schaute sie aus dem Fenster ihres Zimmers in der Wiener Skodagasse dem Trauerzug für Kaiser Franz Joseph zu - das hat Ilse von Guttenberg im Sommer 2017 mit fester Stimmer einer SZ-Reporterin erzählt, die sie im Seniorenheim in der Nähe des Englischen Gartens besuchte. Dass sie zu diesem Zeitpunkt die älteste Münchnerin war, wusste Ilse von Guttenberg vor dem Treffen nicht. Dass sie es wusste, hat ihren Alltag dann auch in keine neue Richtung mehr gelenkt.

Der Großvater Augenarzt, der Vater Botaniker, die Mutter Sängerin, die Stiefmutter Bildhauerin - die ganze Familie seit der Zeit Maria Theresias in den Adelsstand erhoben: Die Kreise, in denen Ilse von Guttenberg aufwuchs, wurden früher - vor Twitter, Instagram und Youtube - gerne als "gutbürgerlich" bezeichnet. Und in diesen Kreisen war es nicht unüblich, dass die Kinder auf Internate geschickt wurden. Mit 14 Jahren kam Ilse von Guttenberg so ins schwäbische Burtenbach.

Dem Heim dort stand ein Geistlicher vor. Und der wiederum war ein Grund, warum Ilse von Guttenberg - durchaus untypisch für ihre Generation - später aus der Kirche austrat. Auch sonst war sie kein Kind, das in der Zeit, in der es aufwuchs, einfach mitlief. Ihr Eifer für den Sport war so groß, dass es ihr gelang, die Lehrer davon zu überzeugen, das Völkerballspiel in den Pausen zu erlauben.

Gymnastiklehrerin wäre sie gerne geworden. Aber das gefiel dem Vater nicht. Also zog sie nach Berlin und absolvierte dort in den Zwanzigerjahren, die vielen als golden gelten, eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin. "Schöne Beine waren bei den kurzen Kleidern, die man damals trug, wichtig. Aber die hatte ich ja durch den vielen Sport": Daran hat sie sich 2017 noch gut erinnert.

Geheiratet hat Ilse von Guttenberg nie. 1956 kam sie nach München und arbeite an der Tierklinik. Nach der Pensionierung 1969 reiste sie viel, sah sich in Mexiko um, in Nepal, in Kenia. Ewiger Sehnsuchtsort blieb ihr Sri Lanka, wo es sie in jedem Winter hinzog, bis sie 102 war. Erst mit 103 zog sie ins Seniorenheim. Dort ist die älteste Münchnerin, wie die Einrichtung bestätigt, dieser Tage gestorben.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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