Warum das Gericht so entschieden hat
Nun dürfen die Neonazis also doch an diesem Donnerstagnachmittag gegen die Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums demonstrieren: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat das von der Stadt München erlassene Verbot der Kundgebung aufgehoben. Die "gewichtige Symbolkraft des 30. Aprils", mit dem die Stadt das Verbot begründet hatte, sei aus Sicht des VGH nicht gegeben, erklärte ein Gerichtssprecher. "Dieser Tag schließt eine solche Veranstaltung nicht aus."
Allerdings darf die vom Münchner Rechtsextremisten Philipp Hasselbach initiierte Demonstration nicht wie ursprünglich beantragt vor dem Amerikahaus auf dem Karolinenplatz stattfinden. Dieser sei verplant für den Eröffnungsakt, sagte der Gerichtssprecher. Der VGH verpflichtete die Stadt aber, einen anderen Standort "mit Sichtbezug zum Amerikahaus" bereitzustellen, etwa an der Barer Straße oder der Max-Joseph-Straße.

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Am Mittwoch war Hasselbach mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen das Demonstrationsverbot vor dem Verwaltungsgericht noch gescheitert. In der zweiten Instanz dann kam er am Donnerstagmorgen durch.
Was die Stadtspitze zur Entscheidung sagt
Die Stadtspitze reagierte empört auf die Eilentscheidung des VGH und die Argumente, die die Richter vorbringen. "Wir, und da beziehe ich auch Oberbürgermeister Dieter Reiter mit ein, haben gewaltige Probleme mit diesem Beschluss", sagte Wilfried Blume-Beyerle, Leiter des Kreisverwaltungsreferats.

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Man habe sich die Begründung des Verbots gut überlegt. Kernpunkt dabei war Artikel 15 des Bayerischen Versammlungsgesetzes. Darin heißt es, ein Verbot sei dann zulässig, wenn "die Versammlung an einem Tag oder Ort stattfinden soll, dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt" und wenn durch die Versammlung "eine Beeinträchtigung der Würde der Opfer" zu befürchten sei.

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Der VGH hält auch den Ort, an dem die Rechtsextremisten sich ursprünglich treffen wollten, nicht für so symbolkräftig wie die Stadt. Hasselbach habe die Demo vor dem Amerikahaus abhalten wollen, erklärt der Gerichtssprecher. Das sei kein Ort, der im Zusammenhang mit dem NS-Regime stehe. Dass das Amerikahaus am Karolinenplatz liegt und damit in unmittelbarer Nähe zum NS-Dokuzentrum, findet bei dieser Betrachtung offenbar keine Berücksichtigung. "Das ist doch kein beliebiger Platz irgendwo. Auch dieser Ort ist historisch vorbelastet", sagt Blume-Beyerle.
Wie die Demo schließlich verlief
Die Stadt hatte auch argumentiert, Teilnehmer des Festaktes, darunter Opfer des NS-Terrors, könnten besonders belastet werden, wenn sie an diesem Tag die Neonazis erblicken. Darauf geht der VGH im letzten Satz seines Beschlusses ein: "Dass Teilnehmer allein durch das Vorbeifahren an der Versammlung unmittelbar physisch oder psychisch beeinträchtigt wären", sei "lediglich eine Vermutung" der Stadt. "Das", sagt Wilfried Blume-Beyerle, "finden wir, gelinde gesagt, etwas lebensfremd". Dennoch werde man die Vorgaben des Gerichts umsetzen.
Die Nazidemo begann am Nachmittag in der Max-Joseph-Straße, etwa 50 Meter vom Karolinenplatz entfernt, in Sichtweite zum NS-Dokuzentrum. Es nahmen etwa zehn Rechtsextremisten teil. Sie wurden umringt von 150 Gegendemonstranten. Gäste des Festakts kamen zunächst nicht an der Kundgebung vorbei.

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