Nach Amoklauf in Winnenden:Nockherberg-Derblecken ist abgesagt

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Wegen des Amoklaufs an einer Schule in Winnenden wird das für Donnerstag geplante Politiker-Derblecken verschoben.

A. Becker und B. Kastner

Der für den heutigen Donnerstag geplante Starkbieranstich auf dem Nockherberg ist abgesagt worden. Grund ist der Amoklauf an einer Schule in Winnenden mit 16 Toten. Das traditionelle Politiker-Derblecken soll laut Paulaner-Brauerei zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) zeigten Verständnis und Respekt für die Absage.

Michael Lerchenberg alias Bruder Barnabas bei seiner Fastenpredigt im Jahr 2008. (Foto: Foto: dpa)

Die Entscheidung ist am Mittwochabend während der Generalprobe gefallen. Andreas Steinfatt, Geschäftsführer der Paulaner-Brauerei, die jedes Jahr Gastgeber des großen Spektakels ist, bestätigte dies der Süddeutschen Zeitung. Man wolle die Veranstaltung aber nicht komplett ausfallen lassen, sondern sie zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.

Wann die Bußpredigt und das Singspiel dann stattfinden werden, stand am Mittwochabend noch nicht fest. Die Verantwortlichen von Paulaner und dem Bayerischen Rundfunk, der das Derblecken jedes Jahr überträgt, müssen zusammen mit dem Nockherberg-Wirt Peter Pongratz erst einen neuen Termin finden.

Ein Sprecher von Horst Seehofer erklärte gegenüber der SZ, der Ministerpräsident habe "großen Respekt" für diese Entscheidung der Brauerei, die mit großem Aufwand vorbereitete Veranstaltung angesichts der tragischen Ereignisses in Baden-Württemberg zu verschieben. Am frühen Abend hatte es aus der Staatskanzlei bereits geheißen, der Ministerpräsident erwäge, dem Derblecken fernzubleiben. Dies hätte aber womöglich ein schlechtes Licht auf jene Politiker und Prominente geworfen, die trotz des Amoklaufs gekommen wären.

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) sagte, er habe "vollstes Verständnis" für die Entscheidung der Brauerei. Er zeigte sich erfreut darüber, dass am Nachmittag Seehofer das Gespräch mit ihm gesucht habe. Es sei, so Ude, ein sehr schwieriger Prozess des Abwägens gewesen: Einerseits das Entsetzen über die Tat von Winnenden, das nicht mit einer fröhlichen Veranstaltung zu vereinbaren sei; andererseits aber auch das Bedürfnis, von einem Amokläufer nicht das öffentliche Leben lahmlegen zu lassen.

Als dann jedoch die Bundesregierung und auch der Freistaat für den heutigen Donnerstag Trauerbeflaggung angeordnet hatten, sei es klar gewesen, dass das Derblecken ausfallen müsse. Die Repräsentanten des Staates, sagte Ude, könnten an einem Tag der Trauer kein lustiges Fest feiern, wenn sie zeitgleich die Bevölkerung auffordern, innezuhalten.

Das Abwägen, so Ude, erinnere ihn an die Situation 2001, als kurz vor Beginn des Oktoberfestes die Terroranschläge in den USA die Welt erschütterten. Damals entschied sich die Stadt, die Wiesn stattfinden zu lassen - "die schwierigste Entscheidung meiner Amtszeit", so der Oberbürgermeister.

Noch am Mittwochnachmittag hatte es aus der Schörghuber-Gruppe, zu der Paulaner gehört, geheißen, entgegen aller Gerüchte halte man an dem Termin fest. Die Veranstaltung sollte am Mittag beginnen. Wie jedes Jahr hatte sich jede Menge Polit-Prominenz angesagt, unter anderem das komplette bayerische Kabinett sowie die Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU).

Kommen wollten auch die Bundespolitiker Volker Kauder (CDU), Peter Ramsauer (CSU), Claudia Roth (Grüne), FDP-Generalsekretär Dirk Niebel und die FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie natürlich die komplette Münchner Stadtspitze.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein trauriges Ereignis die Planungen für das Politiker-Derblecken durchkreuzt. Bereits 2003 musste der Starkbieranstich abgesagt werden, damals fiel es ganz aus. Grund war der Beginn des Irak-Krieges.

© SZ vom 11.3.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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