Mysteriöser Todesfall eines Landwirts:Ermittler unter Druck

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Bei der Vernehmung eine Pistole an die Schläfe gehalten? Im mysteriösen Todesfall eines Landwirts aus Neuburg an der Donau belastet ein Zeuge die Polizei schwer.

Hans Holzhaider

Ein Polizist, der einem Verdächtigen bei der Vernehmung eine Pistole an die Schläfe hält, ein Staatsanwalt, der als Gegenleistung für ein Geständnis anbietet, die Ermittlungen wegen einer anderen Straftat niederzuschlagen. Falls sich als wahr herausstellen sollte, was ein Zeuge vor dem Landgericht Landshut im Wiederaufnahmeverfahren um den mysteriösen Tod des Landwirts Rudolf R. ausgesagt hat, dann werden Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei in Ingolstadt einige unangenehme Fragen beantworten müssen.

2005 fiel vor dem Landgericht Ingolstadt das Urteil. Nun wird der Prozess um den mysteriösen Tod des Landwirts Rudolf R. neu aufgerollt. (Foto: dapd)

Der Fall des Landwirts Rudolf R. hat schon wiederholt für Schlagzeilen gesorgt. Der 52-Jährige, der mit seiner Frau und zwei Töchtern ein Anwesen in Neuburg an der Donau bewirtschaftete, war im Oktober 2001 spurlos verschwunden. Anfang 2004 ging die Polizei Gerüchten nach, der Mann sei von seiner Familie erschlagen und der Leichnam an die Hofhunde verfüttert worden.

Beweise dafür wurden nicht gefunden, aber nach langen Vernehmungen gestand der damals 20-jährige Matthias E., der mit einer der Töchter des Bauern befreundet war, er habe Rudolf R. mit einem Spitzhammer erschlagen, die Leiche zerstückelt und teilweise den Hunden zum Fraß vorgeworfen. Im Mai 2005 wurden die Ehefrau des Bauern, seine beiden 18 und 20 Jahre alten Töchter und Matthias E. wegen Totschlags beziehungsweise Beihilfe zum Totschlag verurteilt.

Vier Jahre später wurde an der Donaustaustufe Bergheim der verschwundene Mercedes des Bauern R. aus dem Wasser gezogen. In dem Fahrzeug fand man die teilweise skelettierte Leiche des verschwundenen Landwirts - vollständig erhalten, ohne Spuren äußerer Verletzungen, insbesondere ohne Loch im Schädel. Damit war erwiesen, dass das Geständnis, in dem Matthias E. die Tötung und Zerstückelung des Bauern in vielen grausigen Details geschildert hatte, falsch war.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde vom Landgericht Landshut zunächst abgelehnt, auf Beschluss des Oberlandesgerichts München musste der Prozess aber doch wieder aufgerollt werden. Seit dem 20. Oktober verhandelt das Landgericht Landshut erneut gegen Hermine R., die Witwe des Landwirts, die beiden Töchter Manuela und Andrea und gegen Matthias E., den angeblichen Totschläger. Mindestens so interessant wie die Frage, was damals wirklich geschah, ist die Frage, wie es zu dem abenteuerlichen Geständnis des Matthias E. kommen konnte.

Die Vernehmung des Zeugen Ludwig H. könnte einen Fingerzeig in diese Richtung geben. Der Schrotthändler H., so glaubten die Ermittler damals, habe den Mercedes des Bauern in seiner Schrottpresse entsorgt. Auch das hatte Matthias E. in seinem ,,Geständnis'' so angegeben; Ludwig H. hatte es stets vehement bestritten. Als Zeuge vor Gericht schilderte H. jetzt, wie ihm Polizei und Staatsanwaltschaft damals zugesetzt hätten, um ihn zu der - wie man inzwischen weiß falschen - Aussage zu bewegen, er habe das Auto verschrottet und damit an der Vertuschung des Verbrechens mitgewirkt.

Am 11. März 2004 hatte die Polizei das Anwesen des Schrotthändlers durchsucht, vier Tage später wurde er zur Vernehmung vorgeladen. Er sei an diesem Tag pausenlos von 9 bis 16 Uhr vernommen worden, sagt der Zeuge.

Gegen 16 Uhr sei dann Staatsanwalt Christian Veh - damals noch nicht Oberstaatsanwalt - dazugekommen. "Er hat sich ganz nah zu mir hingesetzt und gesagt, er schlägt mir einen Deal vor", sagt Ludwig H. Bei der Hausdurchsuchung habe man ein Umweltdelikt festgestellt: H. habe Schrott, Motoröl und Batterien nicht vorschriftsgemäß gelagert. Man könne aber von der Verfolgung dieser Sache absehen, wenn H. zugebe, dass er den Mercedes des Rudolf R. auf seinem Anwesen verschrottet habe.

Er habe sich diesem Ansinnen entschieden widersetzt, gab Ludwig H. an. Er habe zu dem Staatsanwalt gesagt, er rauche nicht und saufe nicht, und er werde wohl wissen, was auf seinen Hof gekommen sei und was nicht. Veh sei dann wieder gegangen. Eine halbe Stunde später seien zwei weitere Polizeibeamte dazugekommen. Der eine von ihnen - der Zeuge nennt den Namen K. - habe ihm eine Pistole an die Schläfe gehalten und dazu gesagt: ,,Wir können auch anders." Auf seinen Protest hin habe der Beamte gesagt: "Hier geht's um Mord, da dürfen wir alles."

Ludwig H. ließ sich jedoch nicht einschüchtern und blieb bei seiner Aussage, er wisse nichts von dem Mercedes. Vier Wochen später "gestand" indes Matthias E., der Mercedes sei nach dem Tod des Bauern zu dem Schrotthändler gebracht worden. Ludwig H. wurde wegen des Verdachts der Strafvereitelung festgenommen, er saß, mit einer kurzen Unterbrechung, fünf Monate in Untersuchungshaft. Im Oktober 2007 wurde Ludwig H. wegen des Umweltdelikts zu einer Geldstrafe von 8000 Euro verurteilt - das Verfahren wegen Strafvereitelung war vorher eingestellt worden.

Staatsanwalt Ralph Reiter, der beim wiederaufgenommenen Prozess in Landshut die Anklage vertritt, hat nach der Zeugenaussage von Ludwig H. Vorermittlungen aufgenommen. Sie richten sich sowohl gegen den Polizeibeamten, der Ludwig H. mit der Pistole bedroht haben soll, als auch gegen Ludwig H. selbst, falls sich dessen Aussage als falsch herausstellen sollte.

"Ich muss zunächst prüfen, ob es in der einen oder anderen Richtung einen Anfangsverdacht gibt'" sagte Reiter zur SZ. Gegen den Ingolstädter Oberstaatsanwalt Veh werde nicht ermittelt. "Dass man einem Verdächtigen etwas anbietet als Gegenleistung für ein Geständnis, ist nicht unbedingt ein Straftatbestand", sagte Reiter. Veh selbst wollte sich nicht zu dem Vorgang äußern. Er wies darauf hin, dass er selbst in dem Verfahren noch als Zeuge aussagen müsse.

© SZ vom 20.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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