Musikrechte:Jugendzentren klagen über neue Gema-Richtlinien

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Auch Live-Konzerte in Jugendzentren wie hier mit der Band "Manera" in der Germeringer Cordobar unterliegen den Regeln der Gema. (Foto: Günther Reger)
  • Die Gema schützt treuhänderisch das geistige Eigentum von Musikern.
  • Bislang konnte Musik in Kinder- und Jugendeinrichtungen zu einer günstigen Pauschale genutzt werden.
  • Nun gibt es neue Richtlinien, die die Einrichtungen mehr kosten und noch dazu höheren Aufwand verursachen.

Von Dirk Wagner, München

Würde es sich um Kartoffeln handeln, die in Jugendzentren wahlweise zu Pommes, Reiberdatschi oder Kartoffelstempel verarbeitet würden, käme kaum jemand auf die Idee, dass die Kartoffeln den Einrichtungen kostenfrei oder zumindest billiger überlassen werden müssten, nur weil die Verwertung des Gemüses hier einer sozialen Arbeit dient.

Kaum aber ist es die Musik, deren Verwertung im öffentlichen Raum und also auch in Jugendzentren kostenpflichtig ist, schütteln nicht wenige verständnislos den Kopf. Solche Verständnislosigkeit hat allerdings nicht nur mit einer Wertvorstellung zu tun, die ob der Omnipräsenz von Musik im Internet vergisst, dass auch sie ein Eigentum ist. Ein geistiges Eigentum nämlich, das hierzulande von der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, kurz: Gema, treuhänderisch geschützt wird.

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Alles sei auch eine Verhandlungssache, räumt Ingo-Felix Meier ein, der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen. Unterstützt von seinem Vorgänger Jürgen Holzwarth versuchte er deshalb, mit der Gema die neuen Rahmenbedingung für die Nutzung von Musik in Kinder- und Jugendeinrichtungen zu deren Gunsten auszuhandeln, nachdem die seit 2004 für solche Einrichtungen geltende günstigere Pauschale zum Ende des vergangenen Jahres gekündigt wurde. Weil sie nicht mehr zeitgemäß sei, wie Gaby Schilcher von der Gema erklärt: "Damals hatte der normale Konzerttarif Nachlässe für soziale Einrichtungen nicht hergegeben. Wir haben aber unsere normale Tarifstruktur in den vergangenen Jahren stark überarbeitet. Die ist jetzt linear aufgestellt. Tarife sind vergleichbar und auch angemessener."

Wo Musik in den Jugendzentren nur als Hintergrundmusik genutzt wird, würde der neue Pauschalsatz dafür sogar günstiger ausfallen. Alleine die Konzerte und Disco-Veranstaltungen müssten jetzt gesondert angemeldet und berechnet werden. Allerdings sähe hier die Gema für die Jugendzentren auch eine Reihe von Rabatten vor. Etwa für solche, die regelmäßig Konzerte veranstalten. Oder für "Veranstaltungen, die religiösen, kulturellen oder sozialen Belangen dienen und die nachweislich keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen". Einmal abgesehen davon, dass man einen derartigen Nachweis erst einmal leisten muss, werden die Rabatte in den Jugendzentren auf Konzerte angerechnet, die den einzelnen Besucher ohnehin nur maximal fünf Euro Eintritt kosten dürfen.

Da zudem solche Konzerte nicht die Zuschauermenge eines Hallenkonzerts locken, rechtfertigt die Einsparung kaum den Mehraufwand, der den Sozialarbeitern in den entsprechenden Einrichtungen nun zugemutet wird. Zumal die Gema erst einmal auch die Musik abrechnet, die nicht den von ihr vertretenden Mitgliedern gehört. Es sei denn, ein entsprechender Antrag weist darauf hin, dass in der Veranstaltung Gema-freie Musik gespielt würde.

Unkosten für Konzerte steigen drastisch

Summa summarum hätten sich die Unkosten für Konzerte in Jugendzentren mit den neuen Verträgen also laut Aussage von Ulrich Hofstaller, dem Leiter der offenen Jugendarbeit der Stadt Erding, mehr als vervierfacht. Zudem sei ihm die drastische Kostensteigerung erst mitgeteilt worden, nachdem er seine Kostenplanung für 2018 bereits abgeschlossen hatte. "Es war uns immer ein Anliegen, Jugendliche in Erding dazu zu motivieren, selbst was auf die Beine zu stellen. Dass die von ihnen ehrenamtlich organisierten Konzerte, die sich unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen ohnehin nicht rechnen, von der Gema so erschwert werden, frustriert mich", sagt Hofstaller.

Bernd Schweinar vom Verband für Popkultur in Bayern pflichtet ihm bei: "Die Gema hat Einzeltarife für Beerdigungen, für Swinger-Clubs und vieles mehr. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sich für den Bereich der Nachwuchsbands, die ja die zukünftigen Gema-Autoren sind, keine dezidierte, realistische Tariflösung hat finden lassen. Das lässt nur zwei Rückschlüsse zu: Entweder die Gema wollte das bewusst nicht, oder es mangelt ihr am handwerklichen Können."

Weniger Veranstaltungen, mehr Verwaltung

Immerhin, so entgegnet Ingo-Felix Meier von der Bundesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendeinrichtungen, gebe es bereits Nachbesserungen. Der Antrag für Gema-freie Musik soll zum Beispiel erleichtert werden. Und überhaupt werde eine Evaluation in die nächsten Verhandlungen mit der Gema einfließen. Denn die aktuellen Vereinbarungen würden nur noch bis einschließlich 2019 gelten. Sein Vorgänger Jürgen Holzwarth wünscht sich für die Verhandlungen aber auch mehr politische Rückendeckung. "Letztlich hat uns die Gema in ihren Vorgaben ja auch nicht allzu viel Spielraum für Verhandlungen eingeräumt", sagt Holzwarth, der trotzdem davon überzeugt ist, im Rahmen des Möglichen das Beste für die Einrichtungen der Kinder- und Jugendeinrichtungen herausgeholt zu haben.

Für Steffen Gerlach vom Jukuz-Musikbüro in Aschaffenburg ist das kein Trost. "Ich habe Bauchschmerzen bei dem Gedanken, dass wir jetzt wirklich jede einzelne, noch so kleine Veranstaltung anmelden und Musikfolgebögen einreichen müssten, selbst wenn Gema-Repertoire so gut wie nie eine Rolle spielt", sagt er. "Alles war bislang über einen Pauschalvertrag abgedeckt. Der nun zu befürchtende Arbeitsaufwand ist für Teilzeit-Kräfte, wie wir es hier sind, erheblich. Und ich rechne mit unnötiger Folgearbeit bei Titel- und Namensgleichheiten auf eingesandten Bögen. Wir werden definitiv weniger Veranstaltungen organisieren, wenn die Gema uns die Zeit stiehlt."

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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