Musical "Ain't Misbehavin'":Broadway am Prinze

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Junge Frauen in Netzstrümpfen und mit ondulierten Haaren: Im Januar kommt das Musical "Ain't Misbehavin'" vom Broadway in New York ans Prinzregententheater nach München. Ein Besuch bei den Proben.

Judith Liere

In den engen Gängen der Nola Studios riecht es süßlich nach Haarspray. Junge Frauen in schwarzen Tanzschuhen, Netzstrümpfen und mit ondulierten Haaren lehnen dicht gedrängt an den Wänden, an denen Dutzende Plakate erfolgreicher Musicalproduktionen hängen: "Cats", "Grease", "Beauty and the Beast", "Tommy", "Miss Saigon". Die Studios liegen in der 54. Straße, zwischen Broadway und Eighth Avenue, also mitten im Theaterviertel, wo eine Leuchtreklame neben der nächsten Publikum in die Shows zu locken versucht.

Vom Probenraum am Broadway auf die Bühne des Prinzregententheaters: die Darsteller des Fats-Waller-Musicals "Ain't Misbehavin'". (Foto: N/A)

Auf einer Tafel im Flur steht mit Kreide gekritzelt, was in den Räumen im elften Stock eines Bürohauses an diesem Tag geprobt wird: Studio 4, von 10 bis 18 Uhr "Broadway Dolls", 18 bis 10 Uhr "Amore Opera". Die Damen in den Netzstrümpfen warten auf ein Vorsingen in Studio E, "Christmas of Swing". Und im Studio A, 10 bis 18 Uhr: "Ain't Misbehavin'" - eine New Yorker Musicalproduktion, die im Januar im Münchner Prinzregententheater gastieren wird.

Hinter der Tür von Studio A verbirgt sich ein karger, etwas heruntergekommener Proberaum. Brauner Linoleumboden, eine große Spiegelwand, ein paar orangefarbene Plastikstühle, ein Flügel in der Ecke, zwei Klimaanlagen pusten scheppernd eiskalte Luft in den Raum. Am Flügel spielt William Foster McDaniel die ersten Töne des Titelsongs, die fünf Darsteller positionieren sich in einer Reihe, wippen im Takt und singen die eingängige Melodie: "Ain't misbehavin', I'm savin' my love for you."

Der Titel des Songs und des Musicals lässt sich mit "Ich hab' gar nichts gemacht!" übersetzen, geschrieben hat die Nummer der New Yorker Jazzmusiker Thomas Wright "Fats" Waller, geboren 1904, gestorben 1943 an einer Lungenentzündung. 1978 entstand aus seinen Songs eine Musical-Revue ohne durchgehende Handlung, fünf Darsteller erzählen mit seinen Liedern aus Fats Wallers Leben und Umfeld, aus dem Harlem der zwanziger und dreißiger Jahre. Es geht um Liebeleien und auch um die Schwierigkeiten der Schwarzen in der damaligen Zeit. "Fats Waller war der erste Schwarze mit einem großen weißen Publikum", erzählt Regisseur Richard E. Maltby Jr., der bereits die Uraufführung des Musicals inszenierte und nun auch für die Neuauflage verantwortlich ist. "Waller konnte im Waldorf Astoria auftreten, hätte aber nicht durch die Lobby laufen dürfen."

Die Nummern-Revue ist auf amerikanischen Musicalbühnen ein Klassiker geworden. Am Broadway wurde das Stück mehr als 1600 Mal gespielt, es gewann drei Tony-Awards - den Oscar der Musical-Szene - für die beste Hauptdarstellerin, die beste Regie und das beste Musical. 1982 gastierte die Show schon einmal in München, im Deutschen Theater, die Süddeutsche Zeitung schrieb damals: "Ein großer Hauch von Professionalität. Und die Spielfreude wird dabei nie vergessen."

In Raum A der Nola Studios allerdings scheint die glitzernde, glamouröse Welt des Broadways ganz weit zu sein, auch wenn sie nur eine Straßenecke entfernt liegt. Hier merkt man, dass hinter der Traumwelt auf der Musical-Bühne vor allem harte Arbeit steckt. Jeder deutsche Stadttheater-Schauspieler wäre entsetzt über die Bedingungen, unter denen die fünf "Ain't Misbehavin'"-Darsteller und ihr Team proben: in einem Raum, in dem sich die Klänge des Klaviers mit denen der Klimaanlage und der Baustelle nebenan vermischen, der sich nicht wirklich verdunkeln lässt, ohne Probenkostüme, ohne hilfreichen Regie-Assistenten, sechsmal pro Woche täglich acht Stunden, weil nur drei Wochen Zeit bleiben, um die komplette Show auf die Beine zu stellen. Während einer der Sänger gerade eine Solo-Nummer probt, unterhalten sich die anderen Darsteller, schreiben SMS oder blicken in ihre mitgebrachten Laptops.

Show ist eben auch immer Business - besonders dann, wenn sie außerhalb eines mittels Subventionen geschützten Raumes stattfindet, der - wenn auch leider in immer geringerem Maße - freies künstlerisches Arbeiten ermöglicht. Amerikanische Musicalproduktionen sind kommerzielle Projekte, die auf wirtschaftlichen Erfolg angewiesen sind. Da tritt der Wunsch nach künstlerischer Selbstverwirklichung automatisch einen Schritt zurück, hinter den, so den Lebensunterhalt bestreiten zu müssen. Das gilt besonders für die Darsteller. Auf einer amerikanischen Internetseite geben sich Schauspieler unter der Rubrik "Please God, I need this job" gegenseitig Tipps. Eine Userin schreibt dort über die Nola Studios: "Nicht das schlechteste Studio für Vorsprechen, das beste aber auch nicht. Die Toiletten sind sauber, die Räume haben eine annehmbare Akustik. Es gibt normalerweise Platz zum Sitzen, während man darauf wartet, einen Job zu bekommen." Ein wenig klingt das nach Tagelöhner-Dasein.

Das amerikanische System glaubt, es käme etwas Besseres raus, wenn die Bedingungen für Künstler härter sind", sagt Mel Howard, der Produzent von "Ain't Misbehavin'" und lacht. Dann präsentiert er die Pressefotos der Darsteller, perfekt glamourös inszeniert in Kostüm und Maske vor dem Times Square. Von muffeliger Probenraum-Atmosphäre ist da nichts mehr zu spüren. Die Show scheint zu funktionieren.

Ain't Misbehavin', Prinzregententheater, vom 6. bis 15. Januar (außer 11.1.)

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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