Münchner Start-up "Adacta":Aktentaschen aus Aktenordnern

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Carsten Fichtel (l.) und Tobias Förtsch entwerfen Taschen aus alten Aktenordnern. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Münchner Start-up-Unternehmer Carsten Fichtel und Tobias Förtsch verwandeln Aktenordner in Taschen.
  • "Dienstweg", "Diplomat" und "Assistent" - die Namen der Taschen signalisieren schon, für wen sie bestimmt sind: Für Männer, die mit beiden Beinen im Berufsleben stehen.

Von Franziska Gerlach

Aufräumen ist manchmal lästig, manchmal befreit es aber auch. Tobias Förtsch, 31, kam sogar eine Geschäftsidee, als er vor einigen Jahren ausgemistet hat. Auf einmal hatte er einen Ordner in den Händen, den er zwar nicht mehr brauchte, doch eigentlich war er noch gut in Schuss. Was passiert in Zeiten zunehmender Digitalisierung nur mit all den Aktenordnern, fragte er sich. Und: Ist es nicht eine Verschwendung, sie einfach wegzuwerfen? Ist es, befand der Produktdesigner, gründete im Jahr 2011 gemeinsam mit seinem Freund Carsten Fichtel, 32, das Label "Adacta" und verwandelt seitdem ausgediente Ordner zu Taschen.

Es gibt sie mit Leder und ein spezieller Lack schützt die stabilen Kartondeckel. (Foto: Stephan Rumpf)

Da denkt man natürlich an Upcycling, an den vor einigen Jahren entstandenen Trend, wonach Aussortiertes umgearbeitet und einem neuen Zweck zugeführt wird. Förtsch hört diesen Begriff allerdings nicht so gern in Verbindung mit seinen Produkten. "Das klingt nach basteln, als ob das jeder selbst machen kann", sagt er und zieht den Reißverschluss einer Tasche auf. Als das italienische Glattleder zur Seite klappt, gibt es den Blick auf ein komplexes Innenleben frei.

Wo einst Metallklammern Papier zusammenhielten, bieten kleine und große Taschen Stiften, Notizbüchern oder Tablets Platz. Ein spezieller Lack schützt die stabilen Kartondeckel vor Schnee und Regen, dazwischen passt ein Notebook. Damit die Kanten des Ordners nicht ausfransen, werden sie mit Leder eingefasst. Mit braunem und schwarzem Leder gibt es die Accessoires, mit Henkel oder zum Umhängen. Auf Anfrage realisieren Förtsch und Fichtel aber auch Sonderwünsche, verhelfen etwa dem geliebten Schulordner zu einem Dasein als feuerroter Ledertasche.

"Dienstweg", "Diplomat" und "Assistent"

Die Labelinhaber kennen sich schon seit der Jugend, sie sind beide im fränkischen Hummeltal aufgewachsen. Anschließend studierten beide in Dresden. Fichtel entschied sich für Maschinenbau, Förtsch ließ sich zum Produktdesigner ausbilden. Vor fünf Jahren zogen sie nach München, wo sie mittlerweile das Designbüro "Casitoo" betreiben. Hier entstehen auch die Designs für die Adacta-Taschen: "Dienstweg", "Diplomat" und "Assistent" heißen die Modelle, und schon die Namen signalisieren, welche Zielgruppe die Marke anpeilt: Männer, die im Berufsleben stehen.

Die Taschen tragen eindeutige Namen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Geschichte des Labels ist hingegen die von zwei Studenten, die in der WG-Küche eine Tasche "klebten", wie sie sagen. Auf Basis dieses Prototyps entwickelte ein befreundeter Sattler ein Konzept, das einen Aktenordner in eine moderne Tasche verwandelt. Doch wer produziert so etwas? Eher zufällig wurden Fichtel und Förtsch auf der Fahrt in die fränkische Heimat auf einen Fertigungsbetrieb in der Nähe von Bayreuth aufmerksam. Fehlte noch das Rohmaterial: Anfangs bezogen sie Aktenordner über einen Münchner Betrieb, wo diese normalerweise geschreddert werden. Mittlerweile kommen Firmen aus ganz Deutschland auf die Taschenmacher zu, sogar nach Berlin sind sie schon mit einem VW-Bus gefahren, um 1000 weiße Ordner abzuholen. Ab und zu rufen aber auch Privatpersonen an, die ihnen alte Ordner anbieten. "Die sagen: Wir haben hier noch Order. Kennt ihr euch nicht mit so was aus?"

Sinnvolles Recycling

Mehrere 100 000 Aktenordner werden in Deutschland jährlich aussortiert, schätzt Förtsch. Das Potenzial zum Accessoire haben aber nicht alle. "Rund ein Drittel können wir verwenden", sagt Fichtel. Momentan warten in einem Lager etwa 500 Ordner darauf, zu Taschen verarbeitet zu werden. "Der Ordner hat früher die Akten geordnet, die Adacta-Tasche organisiert den Tag im Büro", sagt Förtsch - Worte eines Marketingexperten.

Bei Adacta läuft derzeit noch alles aus einer Hand: Vertrieb, Öffentlichkeitsarbeit, Kundenkontakt. An manchen Tagen bohren die Geschäftspartner von morgens bis abends die Metallklammern aus den Ordnern. Natürlich habe es Momente gegeben, an denen sie die Taschen nicht mehr hätten sehen können, geben Fichtel und Förtsch zu. Trotzdem haben sie "ihr Baby" nicht zu den Akten gelegt. Sie glauben an ihre Idee einer Aktentasche aus Akten.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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