"Schwabing ist kein Ort, sondern ein Zustand", sagte Fanny Gräfin zu Reventlow (1871 - 1918), die berühmteste Schwabingerin aller Zeiten, einmal. Die Skandalgräfin war eine Schlüsselfigur der Schwabinger Bohème, ihr Viertel nannte sie nur Wahnmoching. Doch Schwabing war nicht immer Künstlerviertel, entstanden ist es als Ansiedlung von Milchbauern und Fischern im sechsten Jahrhundert. Erstmals erwähnt wurde der Ort im Jahr 782 als Suuapinga. Der Name stammt von Swapo ab, einem Schwaben, der hier unter lauter Bajuwaren lebte. Ab dem Mittelalter übernahmen Patrizierfamilien aus dem nahen München den Ort - immer mehr Angehörige des kurfürstlichen Hofes kauften nun Grundstücke in Schwabing, um dort Gärten und Schlösser zu errichten.
Der Englische Garten nahm den Bauern im Ort seit 1789 zusätzlich Weidegründe - und bescherte Schwabing viele Ausflugsgäste. Der 1814 errichtete Lindauersche Dampfhammer im Englischen Garten war die erste Stahlfabrik Bayerns, 1837 entstand hier eine Maschinen- und Lokomotivfabrik - und machte Schwabing zum ersten Industrieort in der Region. Der Boom der Gründerzeit bescherte dem Viertel Tausende von Mietshäusern für Arbeiter in nur wenigen Jahren. Schwabing wuchs und wuchs und wurde 1887 schließlich zur eigenen Stadt erhoben. Diesen Status behielt es allerdings nicht lange, bereits drei Jahre später wurde Schwabing eingemeindet.
Seinen Ruf als Künstlerviertel verdankt Schwabing der 1840 errichteten Universität und der benachbarte Kunstakademie - obwohl die streng genommen in der Maxvorstadt liegen. Schwabing entwickelte sich bald zum Magnet für Künstler und Intellektuelle. Neben dem lockeren Leben waren es vor allem die billigen Preise, die die Menschen anlockten - so auch Paul Klee, der 1906 in ein Gartenhaus in der Ainmillerstraße zog. "Leider nicht in bester Lage, sondern in Schwabing", vermerkte er damals. Ein ganz anderes Bild von dem Viertel hatte Pablo Picasso: Er schrieb 1897, hätte er einen Sohn, der Kunst studieren wolle, er würde ihn nach München schicken - nicht nach Paris. Das Schwabinger Satireblatt Simplicissimus mit Sitz in der Kaulbachstraße verhalf zahlreichen Autoren zum Erfolg, so auch Thomas Mann oder Frank Wedekind. Die Kulturzeitschrift Die Jugend gab sogar einer ganzen Stilrichtung, dem Jugendstil, ihren Namen. Und noch heute kann man zahlreiche Jugendstilfassaden in Schwabing bewundern.
Spätestens mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten veränderte sich Schwabing allerdings - viele Künstler wurden vertrieben oder ermordet, die Szene brach zusammen. Im Krieg wurde das Viertel schwer beschädigt. Von 1945 an blühte Schwabing wieder auf, nun lehnte sich hier die Jugend gegen den bürgerlichen Mief auf. Berühmt sind vor allem die Schwabinger Krawalle von 1962, als sich Studenten vier Tage lang Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Das Ereignis wird als einer der Vorläufer der 68er betrachtet. Bis heute hängt Schwabing der Ruf eines alternativen Künstlerviertels nach. Mit seinen vielen kultigen Kneipen und schönen alten Häusern ist es bei Münchnern wie Touristen äußerst beliebt. Die Mieten sind inzwischen allerdings so hoch, dass es in dem Viertel eher bürgerlich zugeht. Das echte Schwabing, sagen manche Schwabinger, findet heute nur noch im Verborgenen statt.
Daten und Fakten:
(folgende Zahlen beziehen sich auf den 12. Stadtbezirk, zu dem neben Schwabing auch Freimann gehört)
Fläche: Mit 2567,01 Hektar ist Schwabing-Freimann der drittgrößte Stadtteil Münchens. 778,12 Hektar davon, und damit ganze 30 Prozent, sind Erholungsfläche - doppelt so viel wie in jedem anderen Viertel in München.
Bevölkerung: 65.158 Menschen, das entspricht fünf Prozent der Münchner, leben in Schwabing-Freimann. Mit 25 Einwohnern pro Hektar gehört das Viertel zu den dünn besiedelsten Münchens. Der Ausländeranteil ist mit 22,5 Prozent durchschnittlich.
Verkehrsanbindung: Durch Schwabing-Freimann fahren die U3 und die U6
Kultur und Bildung: Schwabing galt einst als Künstlerviertel, das Kulturangebot kann sich noch heute sehen lassen - in Schwabing-Freimann gibt es ein Museum, fünf Bibliotheken, acht Theater und zehn Kinos
Kinderbetreuung: In 64 Einrichtungen werden fast 3000 Kinder betreut
(Stand: 31.12.2009, mit freundlicher Unterstützung des Statistischen Amtes der Landeshauptstadt)