Münchner SPD-Chef Pfaffmann:"Keine Kopie von Ude"

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Hans-Ulrich Pfaffmann, Chef der Münchner SPD, erklärt, was in seiner Partei falsch läuft und warum er Oberbürgermeister von München werden will.

H.-J. Jakobs, L. Sonnabend, Video: M. Kammermayer, I. Wagner

Hans-Ulrich Pfaffmann, 53, ist seit Mai Chef der Münchner SPD. Mit sueddeutsche.de hat er darüber gesprochen, was in der SPD falsch läuft, wie er seine Partei öffnen will und warum er Lust auf das Amt des Oberbürgermeisters hat.

"Wir wollen eine offene Diskussionspartei sein, kein Establishment": Hans-Ulrich Pfaffmann. (Foto: Foto: Rumpf)

sueddeutsche.de: Sie sind seit einem guten Monat Chef der Münchner SPD. Bekamen Sie mehr Glückwünschkarten oder Beileidsbekundungen?

Hans-Ulrich Pfaffmann: Es besteht gar kein Anlass für Beileid. Chef der Münchner SPD zu sein, ist eine tolle Aufgabe. Ich führe eine große Tradition fort.

sueddeutsche.de: Es gibt inzwischen einigen Anlass zum Mitleid - siehe Europawahlen. Da wurde die SPD in München nur noch drittstärkste Kraft, die CSU und die Grünen haben besser abgeschnitten.

Pfaffmann: Wir schaffen es noch nicht, Europa zum Thema in einer kleinteiligen Region wie München zu machen. Die Europawahl ist weit weg von den Menschen. Nichtsdestotrotz schreckt uns das schlechte Ergebnis auf.

sueddeutsche.de: Der ehemalige Parteivorsitzende Kurt Beck betonte die Formel von der "linken Volkspartei". Wie wollen Sie das Ziel in München angehen?

Pfaffmann: Die Stadt München profitiert von der sozialdemokratischen Mehrheit. Die Stadtratsfraktion und der sozialdemokratische Oberbürgermeister arbeiten hervorragend. Die Sicherung der Stadtwerke, die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, die besseren Rahmenbedingungen in den Schulen, die soziale Sicherung, die Urbanität und die Toleranz - das sind alles sozialdemokratische Werte.

sueddeutsche.de: Das klingt nach einem "Weiter so". Das kann ja wohl nicht reichen, um wieder als "Volkspartei" wahrgenommen zu werden.

Pfaffmann: Wenn man gute Arbeit leistet, ist ein "Weiter so" nicht schlecht. Mir ist aber bewusst, dass sich die Gesellschaft und ihre Probleme ändern. Dafür brauchen wir neue Antworten - und die werden wir geben.

sueddeutsche.de: Was meinen Sie damit?

Pfaffmann: Die hohen Lebenshaltungskosten in einer Stadt wie München machen neue Strategien nötig. Wir dürfen beim städtischen Wohnungsbau nicht nachlassen, um den Mietmarkt zu regulieren. Wir brauchen bessere Schulen. Und wir müssen beispielsweise darüber diskutieren, ob ein Mindestlohn in München nicht höher sein muss als auf dem Land.

sueddeutsche.de: Der Mindestlohn soll bundesweit 7,50 Euro betragen. Wie hoch sehen Sie ihn in München?

Pfaffmann: Ich gehe von neun bis zehn Euro für die Münchner Bevölkerung aus. Das müssten die Unternehmen den Arbeitnehmern zahlen.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie die Misere an den Münchner Schulen lösen?

Pfaffmann: Wir verlangen vom Staat Bayern eine ausreichende Lehrerversorgung - und von der Stadt eine ausreichende räumliche Versorgung. Wir haben riesige Klassen, deswegen müssen die Räume größer und pädagogisch sinnvoll gestaltet sein. Da kann München nicht sagen, wir haben kein Geld. Da ist einiges möglich, bis hin zu neuen Schulen.

sueddeutsche.de: Dann müssen aber andere Projekte darunter leiden ...

Pfaffmann: Es ist klar, dass in Zeiten wirtschaftlicher Not das ein oder andere zu kurz kommt. Ist jede Straßensanierung ein Muss?

sueddeutsche.de: Die SPD war einmal die Partei für junge Leute, inzwischen wirkt sie allerdings oft ein bisschen alt. Wie wollen Sie für die Jugend wieder interessant werden?

Pfaffmann: Junge Menschen sind nicht politikfrei. Die Münchner SPD werden wir danach ausrichten. Wer sich politisch engagieren möchte, aber nicht gleich nach dem ersten Treffen die Position eines Schriftführers in der Tasche haben will, findet in der Münchner SPD eine Heimat. Wir wollen eine offene Diskussionspartei sein, keine Partei der Funktionäre, kein Establishment. Das werde ich durchsetzen.

sueddeutsche.de: Früher hat sich die SPD von unten aufgebaut. Sie wollen die Basisarbeit revitalisieren?

Pfaffmann: Das möchte ich wieder ausgraben. Dazu gehören auch offene Diskussionen. Kritische Töne sollen nicht unterbunden, sondern gefördert werden. In der Münchner SPD darf man in Zukunft auch sagen, wenn man anderer Meinung ist. Wenn man genug miteinander spricht, kommt immer eine vernünftige Lösung heraus. Wenn einer sagt, so machen wir es, endet es mit einer schlechten Lösung.

sueddeutsche.de: In der Bundespolitik hat es rund um die Agenda 2010 ein "Basta" gegeben. Hat sich die SPD zu viele Hauruck-Aktionen erlaubt?

Pfaffmann: Gerhard Schröder hat gesagt: "Basta, so machen wir es." Das ist nicht so gut angekommen. Allerdings hat die SPD vorher auch ausgiebig diskutiert, alle Fraktionen und Argumente sind zu Wort gekommen. Ein Parteivorsitzender hat die Aufgabe, Führung zu übernehmen. Das möchte ich in München auch so machen. Das sollte man allerdings nicht mit "Basta" kommentieren, sondern besser mit: "Die Zeit ist reif." Dann trägt es auch jeder mit.

sueddeutsche.de: Ist das Problem der SPD nicht auch, dass es in letzter Zeit zu viele Vorsitzende und unterschiedliche Konzepte gegeben hat?

Pfaffmann: Viele sind der Meinung, die SPD hätte keine klare Linie mehr. Das stimmt so nicht. Wir haben uns zu vielen Themen geäußert. Künftig müssen wir allerdings dafür sorgen, dass bei den großen politischen Themen wie Rente, Ökologie, Mindestlohn oder Familienpolitik klare Linien herrschen. Diese müssen, wenn sie einmal beschlossen sind, Gültigkeit haben. Wer solche Entscheidungen immer wieder umschmeißt, verliert an Profil und Glaubwürdigkeit.

sueddeutsche.de: Tatsächlich haben vor allem die Grünen sehr stark vom Schlingerkurs der SPD profitiert. Womöglich läuft die Partei den Sozialdemokraten im München irgendwann noch den Rang ab.

Pfaffmann: Ich habe überhaupt gar keine Angst vor den Grünen. Das rot-grüne Bündnis ist ein Segen für die Stadt. Was die Grünen allerdings momentan zur Olympiabewerbung und zur Stammstrecke erklären, gemahnt zur Vorsicht. Wer meint, nach einer zehnjährigen Diskussion den zweiten S-Bahn-Tunnel in Frage zu stellen, dem wünsche ich viel Vergnügen. Ansonsten hake ich das Verhalten ab unter Profilierungsgehabe der grünen Partei.

sueddeutsche.de: Wären Sie offen für eine andere Koalition in München?

Pfaffmann: Wenn wir Koalitionen eingehen müssen, dann mit den Grünen. Mit der FDP sehe ich überhaupt keine Gemeinsamkeit. Die neoliberale-marktradikale Strategie der FDP geht zur Lasten der Menschen. Und mit der CSU planen wir ebenfalls eher weniger.

sueddeutsche.de: Herr Pfaffmann, wenn man Sozialdemokraten nach dem Grund ihres Parteieintritts fragt, werden meist Willy Brandt oder Helmut Schmidt genannt. Wie war das im Jahr 1980 bei Ihnen?

Pfaffmann: Mein Vater war Eisenbahner und in der Gewerkschaft. Er hat immer gekämpft - sogar daheim am Küchentisch. Das hat mich beeindruckt. Seitdem fühle ich mich wohl in der SPD. Es ist nicht so, dass mir alles gefällt. Manchmal zweifle ich schon. Aber in der Gesamtschau fühle ich mich gut aufgehoben. Die SPD war immer Anwalt der Minderheiten, immer liberal. Ich bin stolz, in dieser Partei zu sein.

sueddeutsche.de: Die SPD wartet im Augenblick mit schlechten Wahlergebnissen und Umfragewerten auf. Wie wollen Sie eigentlich im Bundestagswahlkampf in München für die Partei punkten?

Pfaffmann: Wir setzen auf eine "Münchner Linie" - und werden Themen der Stadt in den Vordergrund stellen. Verkehrspolitik ist zum Beispiel kein kommunales Thema mehr, vieles wird vom Bund finanziert. Deswegen kann es nicht sein, dass die Anbindung zum Flughafen in der beliebtesten Stadt Deutschlands stiefmütterlich behandelt wird. Wir erwarten Hilfe beim Bau des zweiten S-Bahn-Tunnels, Unterstützung bei der Olympiabewerbung und eine stärkere Berücksichtigung der besonderen Situation von Ballungsräumen. Und Christian Ude wird häufig im Wahlkampf auftreten.

sueddeutsche.de: Nach der Bundestagswahl steht in der Münchner SPD die Kür seines Nachfolgers an. Immerhin ist Ude seit September 1993 Oberbürgermeister.

Pfaffmann: Wir werden überlegen: Welcher Kandidat oder welche Kandidatin tut der Stadt gut? Welcher Kandidat trägt sozialdemokratische Grundsätze im Herzen? Welcher Kandidat kommt bei den Münchnern gut an?

sueddeutsche.de: Die Antwort: Der Kandidat müsste also so sein wie Christian Ude ...

Pfaffmann: Irgendwann ist der beste Oberbürgermeister, den es gibt auf der Welt, berechtigt, in den Ruhestand zu gehen. Irgendwann ist es Zeit für einen Generationenwechsel. Irgendwann müssen wir dafür sorgen, dass die Tradition der Münchner SPD weitergeführt wird - mit neuen Gesichtern. Wir erwarten von dem Kandidaten auch neue Aspekte. Wir wollen keine Kopie von Christian Ude. Als Ude angefangen hat, war er auch nicht der, der er jetzt ist.

sueddeutsche.de: Lebt der Kandidat schon in München?

Pfaffmann: In München haben wir gute Köpfe. Christine Strobl findet sich immer besser ein in die Position der Bürgermeisterin. Sie steht für Sozialpolitik wie keine andere und integriert die jüngere und ältere Generation. Auch der Fraktionsvorsitzende Alexander Reissl hat eine hohe Akzeptanz in der Stadtratsfraktion.

sueddeutsche.de: Wann wird der Kandidat benannt?

Pfaffmann: Wir können den Kandidaten nicht erst vier Wochen vor der Wahl vorstellen. Er wird sicherlich schon in der Mitte der jetzigen Legislaturamtszeit präsentiert, also im Jahr 2011.

sueddeutsche.de: Hätten Sie persönlich nicht auch Lust auf das Amt?

Pfaffmann: Ich halte es mit den Ausführungen von Christian Ude: 'Oberbürgermeister von München zu sein, ist der schönste Job, den man haben kann.' Der Vorsitzende der Münchner SPD hat einen Führungsanspruch und somit das Recht zu sagen: Ich kandidiere. Deswegen schließe ich eine Kandidatur nicht aus.

sueddeutsche.de: Allerdings sind Sie kein echter Münchner, sondern kommen aus der Pfalz ...

Pfaffmann: Das erste Mal war ich mit 16 Jahren in München. Wir haben damals einen Ausflug mit dem Gymnasium Bad Bergzabern an die Isar gemacht. Die Stadt hat mich fasziniert. Ich habe mir dann gesagt: "Da will ich hin."

sueddeutsche.de: Was hat Ihnen hier so besonders gefallen?

Pfaffmann: Die Urbanität. Ich saß zwei Stunden in der Fußgängerzone - damals gab es noch Stühle - und habe die Menschen beobachtet. Vor 20 Jahren hat es dann endlich mit dem Umzug nach München geklappt.

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