Münchner Momente:Zu laut für den Elfenchor

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Die Volkssängerin Bally Prell hat die Fabelwesen einst an der Isar verortet - doch bei all dem Trubel ist es kein Wunder, dass man sie heute dort nicht mehr trifft

Kolumne von Stephan Handel

Hat eigentlich jemand in letzter Zeit mal den Elfenchor gesehen? Müsste irgendwo unten am Flaucher gewesen sein, denn dort hat Bally Prell ihn verortet, die Volkssängerin: "Wenn der Mond in stiller Nacht / auf mein liebes München wacht, / huscht beschwingt ein zarter Elfenchor", und zwar zu den Isarauen, wo dann "Flöten klingen und Schalmein". So steht's geschrieben im Lied vom Isarmärchen, später beginnen die "Elfelein" auch noch zu tanzen und "singen leis dazu": "Du schöne Münchner Stadt, sei tausendmal gegrüßt. / Wer einmal g'sehn dich hat, dich nimmermehr vergisst."

Bally Prells Vater Ludwig hat Text und Musik besorgt, und man tritt ihm sicher nicht zu nahe, wenn man sagt: Die Worte, die ihm die Muse - oder das Elfelein? - eingegeben hat, hat er dann schon eher nach dem Prinzip "Reim dich, oder ich fress dich" ins Versschema gepresst. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ganz offensichtlich früher Elfen in der Stadt gewohnt haben, diese Edelwesen aus dem "Herrn der Ringe", die Brot backen, das stets satt macht, die Hemden weben, die jeden Angriff abhalten und die Schwerter schmieden, welche blau leuchten, wenn sich das Böse nähert. Und so etwas gab's früher mal an der Isar, ist das nicht toll?

Wo aber sind sie nun geblieben? Man weiß, dass Elfen sehr feine, sehr sensible Geschöpfe sind, die oberbayerischen Stadt-Elfen sind noch dazu ausgesprochen lärmempfindlich. Die Vermutung liegt nahe, dass es ihnen an der Isar einfach zu laut geworden ist, die Jogger, die Radfahrer, die Kinder und die Frisbee-Spieler, von den Grillern und Trinkern an den Sommerabenden ganz zu schweigen. Könnte also sein, dass die Isar-Elfen es eines Tages Galadriel gleichgetan haben, sich zu den Grauen Anfurten begaben - die wären wohl irgendwo beim Flaucher-Biergarten zu finden - und nach Westen segelten, beziehungsweise nach Norden oder Süden, denn westlich liegt ja nur Sendling. Seitdem also ist der zarte Elfenchor verschwunden, was ausgesprochen schade ist. Aber wieder einmal ist München daran einfach selber schuld.

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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