Münchner Momente:Wer's glaubt, wird Politiker

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In der Politik gibt es eine naturgemäße Währung: das Gerücht. Eine solche brandheiße Neuigkeit kursiert derzeit im Rathaus

Kolumne von Heiner Effern

Das Boshafte ist im Wesen des Menschen verankert, zweifellos und möglicherweise auch besonders stark beim homo politicus. Zu diesem Charakterzug kommen zwei besondere Vorlieben, die sich manchmal auch ohne Bosheit selbständig machen. Die Lust am Aufstieg und an neuen Posten oder wenigstens das dringende Bedürfnis, darüber zu spekulieren, wer denn was werden will oder nie was werden wird. Eine der natürlichen Währungen in der Politik ist also naturgemäß: das Gerücht.

Im Münchner Rathaus kursierte seit einiger Zeit eine solch brandheiße Neuigkeit: Katharina Schulze wird für die Grünen als nächste OB-Kandidatin antreten. Für manchen klang das schlüssig: Schulze ist bekannt, weiblich, jung, hat gerade ein Direktmandat in der Landtagswahl gewonnen, so eine könnte München aufmischen. Nur dass halt Schulze selbst nicht will. Nun fragen sich die Grünen, welche Bosheit hinter dem Gerücht stecken könnte: Will Ministerpräsident Markus Söder, der es öffentlich kolportierte, die lästige Oppositionsführerin von den Grünen loswerden? Sollen andere Kandidaten als Zweite-Wahl-Modelle schon vorab diskreditiert werden?

Auch andere im Rathaus fragen sich derzeit fassungslos, warum sie über die Karrierepläne ihrer Spitzenleute nur hintenrum etwas erfahren. Dass Bürgermeister Josef Schmid (CSU) als neuer Landtagsabgeordneter von diesem Montag an nicht mehr Bürgermeister sein darf, geschenkt. Aber dass Söder ihn zum Superminister für Bauen, Digitales, Justiz und all die Wirtschaftssachen macht, die die Freien Wähler nicht hinbekommen? Kein Wort dazu von ihm. Und die SPD erst! Jahrelang zeigte Oberbürgermeister Dieter Reiter kein großes Interesse an Parteipolitik. Und jetzt hat er sich doch breitschlagen lassen, den Landesvorsitz zu übernehmen. Und das ist nicht alles: Da sich die SPD nun auch in München auflöst, will Reiter noch schnell ins Berliner Kabinett wechseln, als Bundesminister für kommunale Angelegenheiten. Einen Posten, den er perfiderweise selbst erfunden hat. Wenn da nur nicht wieder irgendwelche Bosheiten dahinterstecken.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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