Münchner Momente:Tanz den Alexis Tsipras

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Wenn im Alten- und Servicezentrum Kleinhadern Sirtaki gelehrt wird, hat das viel mit der Wiesn zu tun. Wenn sie nur tonlos wäre

Von Martin Bernstein

Ach, diese Griechen! Man kennt das ja aus Alexis Tsipras . . . nein, wie hieß der Film? Sorbas - Alexis Sorbas! Aber egal. Das Grundprinzip ist das gleiche: Ist die Lage auch trostlos, die Welt schlecht und der Herbst nah, es wird getanzt. Pling! Plingelingeling - pilling . . . Der berühmte Anfangsakkord zum Sirtaki aus dem Film Alexis Sorbas. In Kleinhadern kann man die Musik nicht hören. Aber es sieht sehr, sehr griechisch aus, was dort hinter den Scheiben des Alten- und Servicezentrums stattfindet. Immer wieder samstags fassen sich dort Menschen an den Händen und tanzen im Kreis. Sehr vergnüglich anzuschauen, dieser Stummfilm. Auch am Wochenende wurde getanzt. Obwohl das Ergebnis der griechischen Wahlen zu dem Zeitpunkt noch gar nicht vorlag.

Wir vermuten jetzt einfach mal, dass es ein griechischer Volkstanzkurs ist, der uns da Woche für Woche in seinen Bann zieht. Was dann freilich dort weder gelehrt noch praktiziert wird, ist . . . Sirtaki! Diesen Volkstanz gab es nämlich in Griechenland vor dem Sorbas-Film gar nicht. Sirtaki wurde eigens für Sorbas-Darsteller Anthony Quinn erfunden, der als gebürtiger Mexikaner (und angeblich auch wegen einer Fußverletzung) mit den griechischen Original-Tanzschritten ein wenig auf Kriegsfuß stand.

Was man daraus lernen kann? Erstens dass man bald mal wieder den Griechen der Wahl in der Nachbarschaft aufsuchen sollte. Zweitens dass man - wie Anthony Quinn und wohl die Mehrzahl der fröhlichen Haderner Tänzer - kein Grieche geburtshalber sein muss, um die Leichtigkeit des Seins im Tanz zu zelebrieren. Und dass es also drittens auch ein bewährtes Rezept für München sein könnte. Wenn man es recht betrachtet, ist das Oktoberfest schon ein erster Versuch in diese Richtung: Zum Feiern ist dort eigentlich kein Grund. Weder eine vor 200 Jahren absolvierte königliche Hochzeit noch die aktuellen Hendl- und Bierpreise können legitimieren, warum so viele Menschen sich auf der Wiesn an den Händen (und manchmal auch anderswo hin) fassen. Die Mehrzahl der ekstatisch Feiernden sind auch bestimmt keine Münchner. Soweit also ganz dem Vorbild verpflichtet. Wenn's jetzt noch ohne Suff und Ton ginge . . . Mei, wären wir dann nicht alle ein bisschen Tsipras?

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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