Münchner Momente:Schön warm, aber zu heiß

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Die Nacht war einem 19-jährigen Studenten zu kalt. Er klopfte, einen Joint in der Hand haltend, an einen Kleinbus, in dem mehrere Männer saßen - Polizeibeamte in Zivil

Von Martin Bernstein

Ja, ist denn Föhn?! Seit zwei Wochen geht das jetzt schon so: Beim täglichen Blick auf die Pressemitteilungen des Polizeipräsidiums kommt man um die Frage nicht herum. Neben allerlei Grausligem changieren die Meldungen nicht selten zwischen bizarr und völlig gaga. Da rasen Autofahrer mit und ohne Helm über Gehsteige und durch zum Glück unbesetzte Freischankflächen, da ziehen als Araber verkleidete afghanische Witzbolde mit einer Bombenattrappe durch die Kaufingerstraße, da befreien Tierschützer Zirkustiere, damit die armen Viecherl anschließend auf der Stelle im Münchner Straßenverkehr totgefahren werden. Andere Tierschützer bombardieren im Internet die Polizei mit Verbalinjurien, weil Beamte einen offensichtlich todkranken Hund von seinem Leiden haben erlösen lassen. Föhn, wie gesagt - wenn auch nicht immer im meteorologischen Sinn. Aber ein irgendwie warmer Fallwind wirbelt doch durch die Köpfe mancher Münchner.

In der Nacht zum Sonntag war kein Föhn. Aber kalt war es auch nicht. Und doch zu kalt für einen 19-jährigen Studenten aus dem Schwäbischen, der seinen Besuch in der ehemaligen Kultfabrik mit zwei selbstgebastelten Tütchen abrunden wollte. Der Mann entdeckte einen Kleinbus, in dem mehrere Männer saßen. Da, so dachte der Student, könne er sich doch dazugesellen. Er klopfte ans Fahrzeug und begehrte Einlass. Draußen, so sagte er den verdutzten Autoinsassen, sei es ihm zu kalt - ob er denn zum Rauchen ins Warme kommen dürfe. "Rauchen?", fragten die Männer zurück. Ja, sagte der Student und präsentierte stolz zwei selbst gedrehte Joints. Damit freilich widerfuhr ihm eine ähnliche Fehleinschätzung wie beim Unterschied zwischen gefühlter und tatsächlicher Außentemperatur. Denn die Männer im Auto waren zivile Beamte der Einsatzhundertschaft des Polizeipräsidiums. Einer der Männer im Bus hatte indes tatsächlich mit Rauschgift zu tun: Der 21-jährige Auszubildende war von den Beamten kurz zuvor dabei beobachtet worden, wie er seinen Joint bastelte, und daraufhin in den Polizeibus mitgenommen worden. Gleiches widerfuhr nun dem Studenten. Immerhin: Für die Dauer der Anzeige durfte er sich im Polizeibus aufwärmen. Ganz ohne Föhn.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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