Münchner Momente:Schnitzeljagd der Liebe

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Nirgends in der Stadt lässt sich ein Fahrrad parken, ohne dass jemand eine subtile Grußbotschaft im Fahrradkorb hinterlässt. Abgeworfener Unrat? Keinesfalls

Von Christiane Lutz

Die Kunst der subtilen Umwerbung ist in Zeiten von Tinder und Facebook vollkommen aus dem Alltag verschwunden. In der Regel schickt heute keiner mehr Blumensträuße ins Büro seines Schwarms. Nie bekommt man Drinks vom Kellner überreicht, die "der junge Mann an der Bar" für einen bestellt hat. Es gibt keinen Gatsby mehr, der rauschende Feste und Feuerwerke veranstaltet (gut, weniger subtil), getragen einzig von der verzweifelten Hoffnung, eine Daisy möge auf der anderen Seite der Bucht wenigstens kurz Kenntnis von seiner ihm selbst überdrüssigen Existenz nehmen.

In München freilich ist das wieder mal ganz anders. München ist nicht nur Weltstadt mit Herz, sondern auch Welthauptstadt der unaufdringlichen Verehrer. Anders jedenfalls ist nicht zu erklären, warum um Herrgottswillen man sein Fahrrad nirgends in dieser Stadt mehr parken kann, ohne, dass jemand eine subtile Grußbotschaft im Fahrradkorb hinterlässt. Sie nahmen bisher an, es handelte sich bei dem Zeug um von rücksichtslosen Rüpeln im Vorbeigehen abgeworfener Unrat? Keinesfalls. Glauben Sie mir, es ist kein ausgetrunkener Colabecher von McDonald's, der da in Ihrem Korb vor sich hin ranzelt, es ist eine Einladung zum Date.

Das halb aufgegessene Croissant? Da findet Sie wohl jemand zum Anbeißen. Die vertrocknete Blume vergangene Woche? Glückwunsch, die Hochzeitsglocken läuten praktisch schon. Kaputte Fahrradlichter, Altpapier, leere Zigarettenschachteln - betrachten Sie diese Gegenstände als Hinweise in der Schnitzeljagd der Liebe. Selbst das Auffinden von zwei schweren Pflastersteinen morgens im Fahrradkorb, wie neulich in Haidhausen, muss mitnichten zu dem Schluss führen, dass es sich dabei um einen saublöden Scherz halbstarker Jugendlicher handeln könnte. Oder gar um Street Art. Nein, Beton im Korb bedeutet: Du hast bei mir einen Stein im Korb, Baby. Voll süß.

Und jetzt eine dringende Bitte an all die liebestollen Zwangsbeglücker: Nehmt gefälligst euren Schrott und schmeißt ihn statt in fremde Fahrradkörbe in die dafür vorgesehenen Müllbehälter! Ich bin auf Tinder. Ciao.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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