Münchner Momente:Nach der Wiesn ist vorm Wasser

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Stilles Wasser, krachbunte Dirndl - hä? Wem das alles ein bisschen gaga vorkommt, dem sei gesagt: Ja. Es ist gaga

Von Martin Bernstein

Sie müssen jetzt stark sein: Das Oktoberfest wurde nicht von König Ludwig II. erfunden. Kurze Nachdenkpause. Nicht?! Aha . . . Hat auch keiner vermutet. Weil die einen wissen, dass anno 1810 erst die Großeltern des späteren Märchenkönigs heirateten und so ein Fall pränataler Invention schon was ganz Märchenhaftes gewesen wäre. Und die anderen glauben eh, dass die Ur-Wiesn auf die Idee eines beschäftigungslosen australischen Masskrugspülers zurückgeht. Mit dem Kini hat koa Wiesn no nia nix zum doa g'habt.

Jeder weiß es - aber noch nicht jeder hat darüber geredet, hat sich jetzt die Werbeabteilung einer tendenziell wenig Wiesn-affinen Firma gedacht: Es ist die Marke Evian (Mineralwasser) aus Frankfurt (Äppelwoi), die zum Konzern Danone (Joghurt) gehört. "Schon bald ist es wieder soweit: Das Oktoberfest in München öffnet seine Pforten", jubeln uns die Wasserabfüller nach dem Kini-Bashing zu, "und pünktlich zum Almauftrieb bringt Evian eine limitierte Oktoberfest-Edition auf den Markt. Do legst di nieda!" In der Tat. Und weil stille Wasser nicht nur tief gründen, sondern manchmal nahezu abgründig sind, haben sich die Wassermänner vom Genfer See mit der aus Mannheim stammenden Münchner Dirndl-Designerin Lola Paltinger zusammengetan. Die verkündet, dass die Modefarben auf der Wiesn 2015 Rot, Grün, Blau und Pastelltöne sein werden. Gelb hat sie noch vergessen.

Stilles Wasser, krachbunte Dirndl - hä? Wem das alles ein bisschen gaga vorkommt, dem sei gesagt: Ja. Es ist gaga. Doch man muss den Evian-Werbern zugute halten: Echt nicht so einfach, von all dem Stuss unter der pseudo-bajuwarischen Überschrift "Ziag di woarm o!" zur eigentlichen Werbebotschaft zu kommen. Die promotete Evian-Oktoberfest-Edition zeigt nämlich auf der bekannten hellblauen Wasserflasche mit den drei Berggipfeln wahlweise vier Oktoberfest-Besucher, Mann, Frau, Kinder. Oder soll man sagen: Oktoberfest-Überlebende? Die Gesichter des Quartetts sind ziemlich pastellfarben, die Mundstellung erinnert an eifrige Bierzeltbesucher nachts um halb zwölf im Gebüsch hinter der Bavaria. Die Kernfrage indes bleibt unbeantwortet: Ist das der Zustand post pratum - oder post aquam?

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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