Münchner Momente:Laufkundschaft und Nasenzwicker

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Wann die Münchner U-Bahn an Charlie Chaplin erinnert - und warum man besser "zurüüüückbleiben" sollte

Kolumne Von Gerhard Fischer

In Charlie Chaplins Hitler-Parodie "Der große Diktator" gibt es viele wunderbare Szenen. Das ist eine davon: Der Tyrann Anton Hynkel wartet auf den verbündeten Despoten Benzino Napoloni, der mit einem Zug in Hynkels Reich gereist ist. "Zwei Millionen und 975 000 haben sich auf dem Bahnhofsvorplatz eingefunden, um Benzino Napoloni zu begrüßen", heißt es im Wochenschau-Ton aus dem Off, und Hynkel steht auf dem roten Teppich dort, wo der Zug anhalten und Napoloni aussteigen soll. Aber der Zug rauscht vorbei und stoppt später. Hynkel und die Teppich-Träger rumpeln hinterher. Da fährt der Zug wieder zurück. Hynkel und seine Teppich-Leute eilen auch zurück. Es geht hin und her, die Passagiere im Zug fallen mehrmals um, weil der Zug bremst, fährt, bremst und fährt - bis man sich doch noch trifft: Napoloni, Hynkel, der Teppich.

Am U-Bahnhof Sendlinger Tor in München finden derzeit Baumaßnahmen statt. In den Schaukästen hängen Hinweise, dass es zu "erheblichen Einschränkungen" komme. Betroffen ist - unter anderem - die U 1 zum Olympia-Einkaufszentrum. Nun standen neulich, in einer Nacht von Samstag auf Sonntag, etwa zwei Millionen und 975 000 Menschen an der Station Hauptbahnhof und warteten auf diese U 1. Sie warteten an Gleis 3. Dann kam eine Durchsage: Bitte wechseln Sie zu Gleis 4! Die Leute gingen über eine Treppe zu Gleis 4, und dort hieß es dann: Bitte gehen Sie zurück zu Gleis 3! Sie trotteten wieder hinüber, und noch auf dem Weg hörten sie (und der stark übermüdete Teil der Laufkundschaft meinte nun die knarzende Stimme von Anton Hynkel zu vernehmen): Die U 1 kommt jetzt doch auf Gleis 4!

Es gibt übrigens immer mehr Entertainer an den Mikros von S- und U-Bahn: Sie sind charmant ("Nnägssta Hoit: Rodgreizblots!"), fürsorglich ("Zurüüüückbleiben - sonst zwicken wir die Nasen ein") und witzig: Am 2. Dezember vergangenen Jahres drängten, mal wieder, viele Passagiere durch die mittleren Türen der S-Bahn. Da sagte der Schaffner durch: "Gehen Sie auch zu den anderen Eingängen, wir sind hier nicht beim Adventskalender - bei uns sind mehr als zwei Türen geöffnet."

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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