Münchner Momente:Heimatkunde im Hackerzelt

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Stadträte der Grünen fordern, dass Münchner Schüler während des Oktoberfestes einen Nachmittag unterrichts- oder wenigstens hausaufgabenfrei bekommen sollten. Ein Vorschlag, der unbedingt umgesetzt werden sollte

Kolumne von Stephan Handel

In der Stadt Passau befindet sich hoch oben auf dem Donauhang, der sogenannten Ries, die Weißbierbrauerei Andorfer. Diese und vor allem das dazugehörige Bräustüberl war schon vor Jahrzehnten ein beliebter Endpunkt bei Schul-Wandertagen - die Schüler in höheren Jahrgangsstufen machten ihren Lehrern regelmäßig die Rechnung auf, man würde über kurz oder lang sowieso beim Andorfer landen, da könne man sich doch das ganze Rumgewandere sparen und gleich da hin gehen.

Die Lehrkräfte bestanden meistens doch darauf, wenigstens ein bisschen zu Fuß zu gehen, waren dann aber in der Oidn Stubn gewiss nicht die letzten, die sich den berühmten Andorfer Weizenbock schmecken ließen. Was niederbayerische Pädagogen schon in den Siebziger, Achtzigerjahren erkannt hatten - die traditionsbewahrende und -vermittelnde Kraft bayerischer Wirtshauskultur -, das ist jetzt bei den Münchner Grünen angekommen. Sie, speziell vier Stadträtinnen und -räte, fordern, Münchner Schulen sollten während des Oktoberfestes einen Nachmittag unterrichts- oder wenigstens hausaufgabenfrei halten, damit die Kinder auf die Wiesn gehen können - so könne Heimatkunde viel anschaulicher sein als im Klassenzimmer.

Natürlich! Unbedingt! Wo sonst könnten Schüler authentischer etwas zum Beispiel über die bayerische Tracht erfahren als im Hackerzelt? Im Schottenhamel drehen sich ja bekanntlich die meisten Tischgespräche sowieso um Ludwig I., seine Heirat mit Therese von Sachsen-Hildburghausen und deren geopolitische Auswirkungen, anschließend noch zur Suchtberatung ins Hofbräu, und schon ist der pädagogische Auftrag erfüllt. Jedoch: Die Antwort von Beatrix Zurek, der Schulrätin, fiel negativ aus, kurz gesagt: Stadt nicht zuständig, weil Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Davon aber sollten sich die grünen Stadträte nicht ins Bockshorn jagen lassen. Vielleicht könnten sie die Chose mal mit niederbayerischen Lehrern besprechen, am besten bei einem Andorfer Weizenbock.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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