Münchner Momente:Ein Name von vielen

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Die Stadt fragt Bürger, wie ein neues Kulturzentrum heißen soll und lobt 2500 Euro Preisgeld aus: Am Ende bleiben nur 96 übrig

Kolumne Von Max Fellmann

Hurra! Jetzt werde ich ja wohl mindestens Ehrenbürger. Ich durfte eine öffentliche Einrichtung benennen, in meiner Heimatstadt. Und zwar ganz allein! Also - fast. Es fing alles super an: Das Kulturreferat rief vor ein paar Monaten zu einem Wettbewerb auf. An der Ruppertstraße entsteht ein neues Stadtteilkulturzentrum mit Ausstellungsräumen, Konzertsaal und allem Pipapo. Bei der Namensgebung sollten die Bürger einbezogen werden. Ein Experiment, so etwas hat sich die Stadt zuvor noch nie getraut. Die Aufgabe: Finden Sie einen Namen und bedenken Sie, dass das Kulturzentrum die Stadtteile Ludwigsvorstadt, Isarvorstadt und Sendling bedient. Ich stürzte zum Computer und schrieb eine euphorische E-Mail: Sehr geehrte Damen und Herren, Ludwigsvorstadt, Isarvorstadt, Sendling, Lu / I / Se - das Haus muss natürlich unbedingt Luise heißen. Wahnsinnsvorschlag, oder? Top-kreativ, geistreich, einmalig. Das Preisgeld von 2500 Euro war mir so gut wie sicher, ich studierte bereits Champagner-Kataloge.

Und tatsächlich: Zwei Monate später kam die Gewinner-Mail. Die Wahl war auf "Luise" gefallen. Volltreffer! Geld, Ruhm, für alle Zeiten kostenlos U-Bahn fahren, mindestens. Oder - halt, Moment mal: "Wir freuen uns sehr, dass die Jury einen Namen ausgewählt hat, der für viele so naheliegend erschien und sich damit auch in Zukunft sicher gut etabliert." Und: "Ihr Vorschlag gehört zu den 26 Einreichungen, die diesen Namen vorgeschlagen haben." Schluck. 2500 Euro durch 26, ich rechnete es nicht mal mehr aus. Und mit dem Goldenen Schlüssel der Stadt würde es wohl auch nichts werden.

Immerhin, ein paar Wochen später lud das Kulturreferat zur Party in die Glockenbachwerkstatt. Musik, Freibier und Häppchen für alle 26 Gewinner. Jeder erhielt einen Umschlag mit genau 96 Euro: mehrere Scheine, eine Münze. Wir Namensgeberinnen und -geber stießen auf unser Baby an. Und die Gesandten der Stadt, in Mannschaftsstärke erschienen, waren glücklich über den Erfolg ihres Aufrufs, mehr als 300 Einsendungen. "Das machen wir jetzt öfter so!"

Und ich war dann doch ganz froh, nicht der einzige Gewinner zu sein - ich allein mit 20 Entscheidungsträgern, das hätte eine merkwürdige Party ergeben. So aber wurde es ein netter Abend. Auch wenn ich den ersten Small-Talk-Versuch sauber vergeigte. Ich fragte eine Dame freundlich: "Na, was für einen Namen haben Sie so vorgeschlagen?"

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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