Münchner Momente:Der gebeamte Seppelhut

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Aus der Science Fiction sind die Techniken der Zukunft längst bekannt. Schon heute kann man Häuser drucken. Aber wozu noch darin wohnen?

Glosse von Dominik Hutter

In der Nähe von Neu-Ulm wird gerade ein Haus gedruckt. Das ist schön. Zeigt es doch, dass auch Print noch eine Zukunft hat. In einer aufgespeedeten Variante mit Beton, wahrscheinlich aber noch unendlichen anderen Einsatzmöglichkeiten. Wie angenehm ist es doch, einfach ein Kalbsschnitzel mit Pommes auszudrucken, statt umständlich in den Supermarkt zu rennen. Wobei man dann irgendwann eine Erfindung braucht, um die Wampe wieder zu entfernen. Ohne Sport natürlich, das wäre old style.

Gut, dass aus Science-Fiction-basierten Machbarkeitsstudien längst die Techniken der Zukunft bekannt sind. Vielleicht ließe sich das Gewichtsproblem einfach wegbeamen. Die Dematerialisierung mit anschließender Rematerialisierung an anderer Stelle zählt zu den bahnbrechendsten Abnehm- und Mobilitätsformen. Wer so sein Büro erreichen kann, braucht keine Pop-up-Radwege in der Elisenstraße, die U 9 wird entbehrlich, und eigentlich kann man auch gleich auf eine Wohnung im teuren München verzichten und stattdessen im Landkreis Wunsiedel logieren.

Gut, ein paar Pannen im Entwicklungsprozess wird man noch hinnehmen müssen. Etwa, dass Wiesn-Besucher auf dem Heimweg versehentlich in eine zivilisierte Gegend wie Paris gebeamt werden, aber mit Lederhose und Sepplhut bekleidet sind. Denkbar auch, dass anfangs vieles falsch und völlig wüst wieder zusammengesetzt wird - was sich weniger Wohlmeinende für ihre Kollegen oder Ehepartner vielleicht sogar wünschen. Erste Beispiele für testbedingte Beam-Pannen in der Architektur gibt es bereits: Einkaufsbunker wie die Pasing Arcaden, die so nicht gedacht gewesen sein können. In älteren Neubaugebieten wie der Messestadt sind tragischerweise, vermutlich bei einer sehr frühen Form des Beamens, einige obere Stockwerke verlustig gegangen. Fragt sich nur, in welcher anderen Stadt die sich nun rematerialisiert haben. Und natürlich, wo sie ursprünglich herkamen. Denn auch hergebeamte Bauten müssen ja irgendwann mal irgendwo ausgedruckt worden sein.

Unter Regie eines Roboters vermutlich. Der dann in einem der vielen leeren Häuser wohnen darf. Weil die Münchner sich versehentlich one-way nach Honolulu oder Pjöngjang gebeamt haben und nun auf dem analogen Weg nicht mehr zurück können. Das Passfoto stimmt einfach nicht mehr.

© SZ vom 20.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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