Münchner Momente:Dein Freund und Twitterer

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Die Polizei erreicht auf Twitter mehr Menschen als @gottonline, wirkt aber recht irdisch, was den Tiefgang ihrer Tweets betrifft

Von Laura Kaufmann

Die Münchner Polizei ist schon seit geraumer Zeit im Kurznachrichtendienst Twitter unterwegs und trifft dort einen lockeren, imagewirksamen Ton; gerade empfahl sie dort zu Halloween allen Geistern und Hexen, die schon etwas getrunken und den Besen nicht griffbereit hätten, sie sollen doch auf die öffentlichen Verkehrsmittel ausweichen. Die Twittergemeinde dankt es den Freunden und Helfern mit mehr als 16 000 Followern, und unter diesen startete die Polizei jetzt eine etwas irritierende Umfrage: Sie postete ein Vorfahrt-vor-dem-Gegenverkehr-Schild und ließ die Follower abstimmen, wer denn hier zuerst fahren dürfe.

Nun drängen sich hier gleich ein paar Fragen auf. Haben in letzter Zeit zu viele Münchner Autofahrer nicht von ihrer Vorfahrt Gebrauch gemacht? Schwer zu glauben. Wird der Führerschein bei falscher Antwort eingezogen? Schwer umsetzbar. Und: Braucht es überhaupt einen Führerschein, um in sozialen Netzwerken unterwegs zu sein und wenn ja, vielleicht einen anders gearteten? Vielleicht würde eine Netiquette-Umfrage mehr bringen: "Wie verhalte ich mich, wenn ein User etwas postet, dem ich nicht zustimme? Antwort 1: Ich pöbele, Antwort 2: Ich diskutiere höflich?"

Gut, dass jetzt auch die Pfarrgemeinden St. Maximilian und Heilig Geist auf Twitter zu finden sind, gut für etwas mehr Nächstenliebe im Netz. Neue Anhänger werden mit einem herzlichen "Willkommen in der Gemeinde"-Tweet begrüßt, und wer das 7-Uhr-Läuten nicht live mitbekommen hat sieht es dort als Video, als besinnlichen Start in den Tag.

Besonders viele Follower haben die Pfarrgemeinden zwar noch nicht, 200 bisher. Dafür ist scheinbar Gottes persönlicher Twitteraccount darunter, nämlich @gottonline. Himmlische Botschaften wie "Sei heute wach. Und lach viel" verbreitet er an immerhin mehr als 1200 Anhänger. Wächst die Followerzahl der Münchner Pfarrgemeinden nicht wie gewünscht, könnten sie einfach ebensolche Sprüchlein absetzen. Solche, die nah am Münchner Leben sind vielleicht: "Achte Vorfahrtsschilder wie die zehn Gebote, auch wenn du einen Cayenne fährst." Dann wäre sie vom Twitter-Ruhm der Münchner Polizei, der den von Gott um ein Vielfaches überstrahlt, sicher nicht mehr weit entfernt.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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