Münchner Momente:Bescheidene Traditionspflege

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In der Gastronomie feieren viele Betriebe schon fünf Jahre als "eine Ära". Hacker-Pschorr dagegen verzichtet trotz 600 Jahren Tradition darauf

Von Franz Kotteder

Die Münchner Gastronomie ist ein kurzlebiges Geschäft, viele Lokale müssen nach ein, zwei Jahren schon wieder zumachen. Schafft es eine Boazn ins dritte Lebensjahr, dann macht sie sofort ein "Jubiläum" draus und feiert mit ihren Stammgästen bei Rüscherl und Sekt. Fünf Jahre sind, zumindest im Nachtleben, gar schon "eine Ära". Und wer zehn Jahre ununterbrochen an der Theke steht, ist kein Barkeeper mehr, sondern bereits eine Institution. Schafft man stolze 35 Jahre, obwohl man dauernd seine sehr wichtigen Gäste aus Medienbranche und Kulturszene angrantelt, dann ist man eine Legende und heißt Charles Schumann.

Man möchte also meinen, ein 600-jähriges Bestehen wäre ein Pfund, mit dem man wuchern könnte. Gibt ja nicht viele Einrichtungen in der Stadt, die mit dem Gründungsdatum 1417 aufwarten können. Genau genommen gibt es da den in Obermenzing sehr bekannten Alten Wirt zu Obermenzing, der gerade mit Festkonzert, Volkstanz und Dankgottesdienst groß gefeiert hat.

Und dann gibt es noch die in der ganzen Welt bekannte Brauerei Hacker-Pschorr, die unter anderem mit dem Slogan "Braukunst seit 1417" wirbt. Aber gefeiert hat sie bislang nicht. Ist sie sich ihrer Braukunst nicht mehr sicher? Ginge sie in die Insolvenz, wenn sie 600 Liter Freibier spendieren müsste? Oder spart Brauereichef Andi Steinfatt auf eine neue Dienstlederhose? Nein, sagt Pressesprecherin Birgit Zacher, man habe ja gerade eine neue Werbekampagne unter dem Motto "Nix für Preißn" aufgelegt, auf die wolle man sich heuer konzentrieren. Überhaupt gebe es die heutige Hacker-Pschorr-Brauerei genau genommen erst seit 1972.

Da ist man erst einmal verblüfft über so viel Bescheidenheit, so viel nonchalantes Understatement hätte man unseren Brauern gar nicht zugetraut: Statt mit 600 Jahren Tradition wirbt man mit Begriffen wie "Noagalzuzla" oder "Zipfe-klatscher" und "Breznsoiza" - alle Achtung! Vielleicht hat man aber auch Angst, im Falle einer Jubelfeier selber mit einem dieser Begriffe belegt zu werden. Denn nach neuerem Forschungsstand handelt es sich beim Gründungsdatum 1417 lediglich um einen Übersetzungsfehler.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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