Abwechslung stärkt den Appetit, schrieb der antike Recke Euripides. Und schuf damit die Blaupause jedes Gastronomiekonzepts. Denn darum geht es ja in Wirtshaus, Pizzeria und Stehimbiss: Dass man mal etwas anderes einwerfen kann als das, was es ohnehin jeden Tag gibt. Endlich steht Luigi am Herd und nicht mehr Käpt'n Iglo, und auf den Speisekarten tauchen nur ganz selten Dosenravioli mit Spiegelei auf. Die Lust auf Abwechslung hält ganz nebenbei auch die Reisebranche am Leben - und das Internetportal für den diskreten Seitensprung.
Nur die Münchner scheint es nicht zu stören, dass da zu Füßen des historischen Kotzhügels jedes Jahr das mehr oder weniger gleiche Fest stattfindet. Ozapft is, die Krüge hoch, ein Witz zu viel und am nächsten Tag muss man sich bei den Mittrinkenden entschuldigen. Macht Spaß, kennt man aber eigentlich schon. Und dazu kommt ja noch: Die Wiesn findet inzwischen überall statt, und das auch noch zur Wiesnzeit. Mittags in der Kantine etwa, die dem ohnehin schon hendlgemästeten Arbeitnehmer voller Stolz Wiesnhendl serviert. Abends in der Kneipe gibt es dann Wiesnhendl, Wiesnbier und Wiesnhits. Der einst so szenige Kellner läuft derweil in einem Aufzug herum, als wolle er morgen ein landwirtschaftliches Anwesen erwerben. Vermutlich handelt es sich bei diesem Phänomen um eine philosophische Weiterentwicklung der These des Euripides: Es braucht auch Abwechslung von der Abwechslung. Und die entsteht durch das Fehlen jeglicher Abwechslung.
Für die armen Wiesnwirte ist das ein gefährliches Spiel: Denn vor lauter After- und Kantinen-Wiesn könnte plötzlich das Original entbehrlich werden. Dann wird überall in der Stadt wiesnmäßig herumgeprostet, nur über die leere Theresienwiese pfeift der Wind. Das wäre zwar schade, aber immerhin mal eine Abwechslung.