Münchner Märkte:Der Schwabinger Standlstreit

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Eine Initiative sammelt seit drei Monaten Unterschriften gegen einen Abriss und Neubau der Hütten am Elisabethmarkt. (Foto: Catherina Hess)

Für viele Münchner gehören die Märkte der Stadt zum Lebensgefühl. Was passiert, wenn sie dieses bedroht sehen, lässt sich eindrücklich am Elisabethmarkt beobachten.

Von Thomas Anlauf

Es geht beschaulich zu am Elisabethmarkt. Vor dem kleinen Kaffeeladen sitzen zwei junge Frauen in der Sonne und nippen am Cappuccino, beim Obsthändler vorne hat sich eine kleine Schlange gebildet, auf der Holzbank neben dem Spielplatz sitzt ein junger Mann im Schatten eines Ahorns und liest in einem Buch. Eine Idylle in der Großstadt, wie es scheint. Doch Stephan Haiker steht vor seinem kleinen Biokäseladen und schüttelt den Kopf. "Es ist ein Mythos, zu behaupten, der Markt wäre romantisch und wunderbar", sagt er.

Seit zwölf Jahren hat er seinen Laden in einer der kleinen Hütten, der Alltag des Händlers ist alles andere aus als idyllisch. "Der Markt ist rezessiv", sagt er. Die Umsätze gehen zurück. Es fehlt an Lagerflächen, an Platz für eine Kühlung, an Raum, um die Waren besser zu präsentieren. "Man kann das wesentlich schöner hier machen", meint Haiker. Genau das will die Stadt auch tun. Die alten Hütten sollen abgerissen werden und ein neues Marktensemble soll auf dem Platz entstehen. Doch genau das sorgt für Ärger.

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Eine Initiative sammelt seit drei Monaten Unterschriften gegen einen Abriss und Neubau der Hütten, damit "der Flair und der besondere Charme dieses geschichtsträchtigen Schwabinger Platzes erhalten bleibt", wie es in einer Petition an den Stadtrat und den Westschwabinger Bezirksausschuss heißt. "Die Bürger von Schwabing", so schreibt die Initiative "Pro Elisabethmarkt", fordern, dass die Stände bleiben - "und zwar in ihrer jetzigen Form und an ihrem jetzigen Standort".

Der Initiator der Initiative, Hubertus von Medinger, hat nach eigenen Angaben 13 000 Unterschriften beisammen, dazu kommen 1500 Unterzeichner einer Online-Petition und womöglich noch viele weitere Unterstützer, "denn viele Freiwillige haben sich gemeldet und von uns Unterschriftenlisten angefordert", teilt von Medinger mit. Der Zorn scheint groß zu sein über die Abrisspläne der Stadt. "Alles Alte zu entfernen, heißt uns zu entwurzeln", schreibt ein Unterzeichner der Petition.

Nach Angaben der Initiative soll ein Drittel der Händler des Elisabethmarkts für eine behutsame Sanierung der Gebäude sein, lediglich drei explizit für die Abrisspläne, der Rest halte sich bedeckt. Stimmt nicht, sagt Käsehändler Haiker. Bei der jüngsten Sitzung der Standlbetreiber sei keiner der Anwesenden gegen den Neubau des Markts gewesen, allerdings sei auch nur die Hälfte der Betroffenen bei der Veranstaltung gewesen. Er glaubt, dass einige Händler die Entwicklung einfach hinnehmen.

Die derzeitigen Pläne sehen vor, dass neun Pavillons entstehen sollen, asymmetrisch angeordnet, je zwei oder drei Stände sollen Inseln bilden. Kein Häuschen soll wie das andere aussehen, künftig soll vieles unterirdisch angesiedelt werden: Stellplätze für Händler plus Lagerräume in einer Tiefgarage. "Das ist doch das Geniale: Wir gewinnen durch die Tiefgarage oben Freiräume für Grünflächen", sagt Kommunalreferent Axel Markwardt. Er versichert, dass die Pläne für den neuen Markt "liebevoll austariert" werden, "damit etwas Vernünftiges herauskommt".

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Der Kommunalreferent ist zugleich oberster Chef der Markthallen München, die damit beauftragt sind, alle vier Münchner Märkte zu sanieren oder umzubauen. Als Grund werden von städtischer Seite immer wieder EU-Vorschriften und Brandschutzauflagen genannt. Als Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im Frühsommer verkündete, dass die Stände am Wiener Platz doch nicht wie geplant abgerissen und neu aufgebaut, sondern saniert werden sollen, witterten Kritiker einen Skandal. Die Argumente der Stadt "taugen nicht als Begründung für den Abriss" des Elisabethmarkts, schreibt von Medinger auf Facebook.

Beim Elisabethmarkt habe es natürlich auch Überlegungen gegeben, die alten Häuschen zu sanieren. "Aber wenn man saniert und die hygienischen Verhältnisse verbessern will, muss man Verkaufs- oder Lagerflächen wegnehmen", sagt Markwardt. Franz Sageder, der auf dem Markt seit 19 Jahren eine Metzgerei betreibt, glaubt das nicht so recht. "Man könnte das sicherlich auch anders regeln", sagt der Befürworter einer Marktsanierung.

Drei Hütten weiter steht Karl Huczala hinter einer Auslage aus Obst und Gemüse. "Unser aller Ziel ist doch, dass der Markt vorwärts kommt", sagt der Marktsprecher. Er kennt die alten Standl seit seiner Kindheit, die Eltern haben hier vor mehr als vier Jahrzehnten als Händler angefangen. "Mir liegt der Markt wirklich sehr am Herzen", sagt Huczala, "aber ich sehe das Thema nicht aus nostalgischer Sicht. Ich will schließlich die nächsten 30 Jahre hier bleiben."

Deshalb ist er auch für den Neubau des Marktes, genauso wie der Bezirksausschuss. "Im Sommer brauche ich wahnsinnig viel Geld, um das Obst zu kühlen, im Winter, um zu heizen", sagt Huczala. In den alten Hütten zieht es an allen Ecken, auch der alte Lagerraum im hinteren Winkel des Platzes sei alles andere als ideal. Vom Kommunalreferat fühlt er sich keineswegs übergangen, im Gegenteil. "Wir können wahnsinnig viel Input in die Planungen geben", Axel Markwardt sei von den Händlern eine große Wunschliste übergeben worden, was sie sich für den Markt vorstellen.

Und die Wünsche der Händler sind ziemlich individuell - ob am Elisabethmarkt, dem Markt am Wiener Platz, dem Pasinger Viktualienmarkt oder dem großen Viktualienmarkt in der Altstadt. Die Sanierung oder der Umbau der vier Märkte stellt die Planer vor höchst unterschiedliche Herausforderungen. Am Wiener Platz mit lediglich acht bewirtschafteten Standln fehlt es vor allem an Toiletten für die Kunden. Die meisten Händler haben ein gastronomisches Angebot, aber die Kunden müssen im benachbarten Hofbräukeller die Toiletten aufsuchen.

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Auch die Müllentsorgung sei immer noch ein Problem auf dem Markt, sagt ein Händler. Zwar wurde ein ehemaliger Metzgerstand zum Müllhäuschen umfunktioniert, doch mit den sechs Tonnen darin sei die Hütte überfüllt. Am Pasinger Markt wiederum gibt es sogar drei komplett verschiedene Planungsvarianten. Das Atrium mit seinem Innenhof, der mit Blumen- und Obstständen zugebaut ist, könnte eine Komplettüberdachung erhalten oder lediglich eine Vergrößerung in Richtung Pasing Arcaden. Und der Viktualienmarkt? Dazu hält sich die Stadt noch immer sehr bedeckt, um die Händler, aber auch die Münchner nicht gegen sich aufzubringen.

Kommunalreferent Markwardt weiß, dass die Sanierung der Märkte ein heikles Thema ist. "Die vier Märkte sind alle sehr individuell, sie haben alle einen eigenen historischen Bezug. Und für viele Münchner ist der Markt ein wichtiger Bestandteil im Tagesablauf - für den schnellen Einkauf, aber auch zum Ratschen", sagt er. Die Märkte seien "ein Bestandteil des Münchner Lebensgefühls".

Markwardt ist klar, dass viele Menschen Veränderung "als etwas Bedrohliches" ansehen. Aber insbesondere am Elisabethmarkt verbinde sich der Neubau des Marktes positiv mit einem Neubau der Stadtwerke neben dem Platz. Bis zu 200 Wohnungen sollen dort entstehen, dazu eine Kindertagesstätte und ein Spielplatz - "ohne dass die Händler vertrieben werden". Für sie werden während der Bauzeit des Marktes Container auf der Arcisstraße aufgestellt, die gesperrt wird.

Die bisherige Planung will Markwardt in einer Bürgerversammlung am kommenden Donnerstag vorstellen. Käsehändler Stephan Haiker erwartet den Umbau des Marktes mit Spannung. "Es ist eine Chance und ein Risiko, wie alles im Leben", sagt er. Obsthändler Huczala hält den Neuanfang am Elisabethplatz sogar für überlebensnotig. Schon jetzt gebe es den Trend, dass in die alten Hütten immer mehr Imbisslokale oder Cafés einziehen, die brauchen nicht so viel Ladenfläche wie die Händler. "Wenn das so weiter geht, sind wir eine Fressmeile", befürchtet er. Auch das wäre vielleicht eine bedrohliche Veränderung.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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