Münchner Erfinder:Spielzeug für die arabischen Herrschaften

Lesezeit: 5 min

Alfons Alexander Weidinger und sein Falkenortungs-System. (Foto: Florian Peljak)

In fast fünfjähriger Arbeit hat Alfons Weidinger ein Ortungssystem entwickelt, mit dem die Besitzer von Falken ihre wertvollen Vögel binnen Minuten überall auf der Welt aufspüren können. Nun hofft er auf reiche Araber als Kunden - im Herbst will er seine Erfindung auf einer Messe in Abu Dhabi präsentieren

Von Katja Riedel, München

"Mit Falknerei", sagt Alfons Alexander Weidinger, "da habe ich gar nichts am Hut." Ein Satz, der schon etwas überrascht. Denn Alfons Weidinger hat sich in den vergangenen vier Jahren mit nichts als Falken beschäftigt - genauer gesagt mit einer Technik, die Falken via Satellit binnen weniger Minuten orten kann, an jedem Ort der Welt, in der Wüste wie im Gebirge.

Denn Falken sind nicht nur schnell: Bis zu 340 Kilometer pro Stunde schaffen sie im Sturzflug, wenn sie horizontal fliegen sind es in der Spitze 140 Stundenkilometer. Sie sind also schnell auf und davon - und extrem teuer, ein Jungtier kostet gut 20 000 Euro. Zudem sind Falken Statussymbole, sie liegen ihren Besitzern also sehr am Herzen.

Für Weidinger soll genau das zu einem Geschäft werden. Für 6450 Euro können die stolzen Falkenbesitzer bei ihm nämlich kleine funkende Sender kaufen, welche die Lieblingsfalken wie Rucksäcke auf dem gefiederten Rücken tragen. Dazu gehört ein Handteil, mit dem der Benutzer bis zu drei Falken zugleich auf zehn Meter genau orten kann - egal, ob der Besitzer gerade im Liegestuhl auf den Malediven faulenzt oder in einem Büroturm in Dubai Geschäfte macht. Nicht via GSM, also Handynetz, erfährt er, wo der Vogel fliegt, sondern über ein amerikanisches Satellitensystem, das auch das US-Militär nutzt und für das auch Weidinger nach langen Bemühungen eine Genehmigung bekommen hat. "Bei GSM ist der Vogel weg, sobald er aus dem Handynetz draußen ist", sagt er. Und Falkenbesitzer gehen mit ihren Tieren schon mal gern in Pakistan oder anderen Wüsten zum Jagen, wo es um den Handyempfang eher schlecht bestellt ist.

"Ich wollte schon immer etwas Besonderes machen", sagt Weidinger. Eine durchgeknallte Idee zu einem Geschäft machen, wie er bekennt. Durchgeknallt klingt die Geschäftsidee für sein Startup tatsächlich, funktionieren könnte sie dennoch. In jedem Fall hat es Weidinger schon einmal geschafft, gut eine Million Euro Entwicklungskosten zu stemmen, sein eigenes Gehalt nicht einmal mitgerechnet. Und nominiert ist Weidinger auch: für den Innovationspreis Bayern, den das Bayerische Wirtschaftsministerium verleiht.

"Asperium Raptor" steht in Goldschrift auf den wuchtigen schwarzen Koffern, die sich in Weidingers Wohnzimmer an der Schwere-Reiter-Straße stapeln. Der Name des Startups ist mit goldenen Falkenflügeln umkränzt. Die ersten Ortungssets sind fertig, sein Entwicklungspartner hat sie geliefert, nach einem zähen Prozess, am Schluss haben Weidinger und seine Lebensgefährtin die Endproduktion übernommen. Bis in die Morgenstunden haben sie manchmal zusammen getüftelt. Weidinger ist auch schon mal in der Schlafanzughose vor die Tür gegangen, um zu testen, ob alles funktioniert.

Und er hat es Freunden mitgegeben, die ins Ausland gereist sind: So konnte er das Rucksäckchen in Spanien, Bahrain, Katar, Dubai oder Kenia aufspüren. Auch an Hunden hat er es erfolgreich ausprobiert. "Wir hatten geniale Ergebnisse", sagt Weidinger selbstbewusst, dabei seien Hunde viel schwerer aufzuspüren, weil sie durchs Gebüsch streifen statt auf Bäumen zu hocken.

In Falkenform angeordnet sind die Tasten des Handteils, das die Falkenbesitzer dabei haben sollen, um Entfernung, Längen- und Breitengrad, Geschwindigkeit, Flughöhe und -richtung ihres Vogels verfolgen zu können und auch die eigene Position zu kennen. Der Sender sei "das weltweit kleinste Bauteil, das den Kommunikationsaustausch mit dem Satelliten betreibt", behauptet zumindest Weidinger. 31,8 Gramm wiegt es, besteht aus Vollkarbon und ist etwas größer als ein Passbild.

Das Design des zugehörigen Handteils soll vor allem der Haupt-Zielgruppe gefallen, "den arabischen Herrschaften", wie Weidinger sie nennt. Um das Gerät wüstentauglich zu machen, ist es zudem extrem stabil, die Ritzen zwischen den Tasten und dem Kunststoffgehäuse sind zu eng für Sandkörner und das Gerät führt den Besitzer auch wieder zu seinem Auto zurück, wenn plötzlich, wüstenüblich, die Sonne binnen Minuten untergegangen ist, erzählt Weidinger stolz. Der Sender auf dem Vogel blinkt zudem in der Dunkelheit mit einer LED-Leuchte.

An all das hat er gedacht - und auch daran, dass niemand so einfach den Lieblingsfalken eines Herrschers orten und kidnappen kann. Handteil und Sender sind deshalb genau aufeinander abgestimmt. Das Gerät darf weltweit eingesetzt werden, auch in den USA und Kanada, wo die kritischsten Auflagen für Funklizenzen herrschen.

Die Zielgruppe war in seinem Kopf schon früher definiert als die Geschäftsidee selbst. Nach einer solchen hatte Weidinger nach Jahren als Externer in der Entwicklungsabteilung eines großen Automobilunternehmens gesucht, um sich selbstständig zu machen. Zunächst plante er, mit Limousinen zu handeln, mit teuren Limousinen. Hierzu bot er Fahrdienste an, vom Flughafen zu einem Falkner im Münchner Umland. Bei diesem Falkner sah Weidinger dann, wie dieser hektisch wurde, sobald ein Falke zum Flug anhob, die Verfolgung per Auto aufnahm und eine Antenne aus dem Fenster hielt. Das wollte er besser lösen. Und die Idee war geboren.

Mitfinanziert haben die Entwicklung die LfA Förderbank, die Sparkasse Starnberg Ebersberg und das Bundeswirtschaftsministerium. Letzteres hat dabei geholfen, die Idee und das Design patentieren zu lassen. Doch es war ein langer Weg. Seinen Businessplan hat er Ende 2009 geschrieben, mit einem geschätzten Finanzbedarf von 280 000 Euro, schon 2011 musste Weidinger 270 000 Euro nachfinanzieren. Auf der Gründermesse in Nürnberg ist er dann hausieren gegangen. Die LfA konnte er dort für sein Projekt gewinnen, sofern er eine Bank fand, die das Risiko mittragen wollte. Er baute Holzmodelle, besorgte sich ausgestopfte Falken, denen er das Tischmodell aufsetzte. Dann sagte die Sparkasse zu: "Das war für mich der Startschuss." Zwei Jahre Entwicklungszeit hatte er angesetzt - "jetzt bin ich im vierten Jahr und habe viel Blut und Wasser geschwitzt", sagt Weidinger.

Der Entwicklungspartner ging pleite und fand einen neuen Investor, zuletzt hatten die ersten Ortungssets auch noch einen Softwarefehler, den Weidingers Lebensgefährtin nun selbst repariert hat. Weidingers Projekt wurde immer wieder zurückgeworfen. Die Entwicklung ist inzwischen seit einem guten Jahr abgeschlossen, die ersten Koffer sind fertig. Im August soll das Ortungssystem verkaufsbereit sein. Weidinger hat auch einen wichtigen Verbündeten in der Falknerszene, den Elsässer Züchter Eric Stoltz, bei dem viele vermögende arabische Herrscher ihre Tiere kaufen und ausbilden lassen. Dort können die Falkenbesitzer auch den Asperium Raptor bestellen.

Für Weidinger geht es dabei gar nicht so sehr um den Falken. Der Falke soll seine Idee nur transportieren. Denkbar wäre das Ortungssystem auch für viele andere Anwendungen, glaubt er: Um Autos auszustatten, damit Versicherungen sie wiederfinden können, wenn sie gestohlen werden. Um verschollene Flugzeuge zu orten wie die im Meer versunkene MH 370. Zur Tierbeobachtung. Oder als elektronische Fußfessel für Straffällige. In jedem Fall glaubt Alfons Weidinger an seine Erfindung - und an deren wirtschaftlichen Erfolg. Im September will er das System auf einer Messe in Abu Dhabi präsentieren. Schon jetzt lässt er den Wert seines Startups und seines Patents von zwei Unternehmensberatungen errechnen. 3000 Sets will er in drei Jahren verkauft haben.

Oder gleich die ganze Firma an den Investor bringen. Auch hier ist Weidingers Ziel recht ehrgeizig: Ihm schwebt als Preis nicht weniger als ein deutlich achtstelliger Betrag vor. Danach, sagt er, habe er schon die nächste Idee. "Ich will auch beweisen, dass man es mit einem einfachen Hauptschulabschluss schaffen kann", sagt Weidinger. "Ich bin ein Visionär, kein Illusionär."

© SZ vom 14.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: