"Ich bin nicht in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Kunst als Lebensgrundlage akzeptiert wurde", sagt Yaser Bashir. Er trägt weite Klamotten, verteilt selbstgebackenen Käsekuchen auf ZEWA-Tüchern und erzählt von seinen afghanischen Wurzeln, von figurativer und abstrakter Kunst und davon, wie er nun endlich seinen Traum verfolgt. Jetzt, nach seinem Studium des Umweltingenieurwesens an der TU.
Yaser wollte schon nach dem Abi Kunst studieren. Den Segen seiner Eltern hat er damals aber nicht bekommen. "Überleg mal", sagt er, "du kommst als Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland, wünschst dir nur das Beste für deine Kids und dann will einer Künstler werden." Die Angst der Eltern? "Das ist quasi ein Ticket für die Armut", sagt Yaser, der die Angst seiner Eltern mittlerweile nachvollziehen kann. Kein Segen, kein Kunststudium.
"Wie man anfängt und wohin man sich entwickelt, sind meist Welten", sagt Yaser. Früher lag sein Fokus stark auf figurativer Kunst, erzählt er und zeigt Bleistiftskizzen von Gesichtern und Körpern. Später zeichnete er Porträts mit Linien im Hintergrund. Mittlerweile malt er die Linien nicht nur, sondern kratzt sie in Masse, wodurch reliefartige Oberflächen entstehen.
Sein Arbeitsplatz befindet sich in einem mit anderen Künstlern geteilten Atelier in der Akademie der Bildenden Künste, wo er nun ein Gaststudium hat. Eine Wendeltreppe führt zu seinem vielleicht drei Quadratmeter großen Platz, auf dem seine Skizzen, Leinwände, Farben und Bücher dicht aneinander stehen. Neue Künstler seien zu Beginn immer etwas ab vom Schuss, erklärt er. Ob er es dennoch hier oben mag? "Alles für den Traum", antwortet er und schmunzelt.
Diese geometrischen "Kratzbilder", wie Yaser sagt, sind zu seinem Markenzeichen geworden und entstehen wie folgt: Er grundiert seine Leinwände, klebt mit Tape seine Formen auf, trägt eine Wachsmischung mit Pigment auf und kratzt schließlich mithilfe einer umfunktionierten Schreibfeder mal Rechtecke, mal Dreiecke, mal Kreise, heraus. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Reflexionen.
Mittlerweile hat er den Segen seiner Eltern. Dadurch, dass er ein Studium hinter sich hat und im Atelier täglich etwa zwölf Stunden verbringt, haben seine Eltern gemerkt, dass die Kunst mehr als ein Hobby ist. Sein Ingenieurstudium bereut er nicht, da er gelernt hat, mit Herausforderungen umzugehen. Jetzt will er mit seiner Kunst begeistern - andere Künstler, die Betrachter seiner Bilder, und natürlich seine Eltern.